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Auf der E-Überholspur

Text von Selma Schmitt
22.11.2021
Unternehmen

Das Karlsruher Start-up Vulcan Energie will Lithium emissionsfrei herstellen. Ein Geothermie-Verfahren soll das Leichtmetall aus dem Thermalwasser im Oberrheingraben filtern. So könnte das Unternehmen den Batteriemarkt für Elektroautos revolutionieren und den Standort Deutschland stärken.

Der Geologe Francis Wedin hat eine Vision: Er will Lithium emissionsfrei herstellen – und zwar in Deutschland. Im Thermalwasser im Oberrheingraben zwischen Basel und Frankfurt am Main ist das Leichtmetall besonders hochkonzentriert, weshalb der Zypriot mit jahrelanger Erfahrung im Rohstoff-Abbau es dort fördern möchte. Um seine Idee umzusetzen, hat er sich mit dem deutschen Geothermie-Experten Horst Kreuter zusammengeschlossen. Im Jahr 2018 gründeten sie das Unternehmen Vulcan Energie Ressourcen, das die weltweite Batterieproduktion revolutionieren könnte.

Der Lithium-Abbau für die Produktion von Batterien ist bislang die Schwachstelle von E-Autos. Minengesellschaften pumpen in trockenen Regionen wie der Atacama-Wüste in Chile Salzwasser an die Oberfläche, wo es in Verdunstungsbecken verdampft. Erst wenn 95 Prozent des Wassers verschwunden sind, lässt sich das Lithium durch einen chemischen Prozess abtrennen und für Batterien verwenden. Das Salzwasser kommt aus tiefen Erdschichten, wodurch die Region an Grundwasser verliert – ein Problem für die dortige Bevölkerung, der Wasser für die Landwirtschaft fehlt. Alternativ können Unternehmen das Leichtmetall aus Hartgestein beispielsweise in Australien gewinnen. Dazu müssen sie das Gestein erhitzen, um das Lithium zu lösen. Dieser Prozess erfordert Säuren und fossile Brennstoffe, die wiederum große Mengen an CO2 verursachen. Beide Verfahren verschlechtern also die Umwelt-Bilanz der E-Autos, die doch eigentlich Emissionen vermeiden sollten.

Das will Vulcan Energie nun ändern. Das Unternehmen setzt dafür auf das Geothermie-Verfahren. Unterhalb der Erdoberfläche im Oberrheingraben befindet sich heißes Thermalwasser – und darin das größte Lithiumvorkommen Europas. Die Idee: Ein Kraftwerk pumpt das Thermalwasser an die Oberfläche. Dort treibt die Hitze per Dampfturbine einen Stromgenerator an und erzeugt erneuerbare Energie, die ins Stromnetz eingespeist wird. Anschließend wird das abgekühlte Wasser aber nicht direkt wieder in die Erde geleitet – wie bei Geothermie üblich – sondern kommt zunächst in eine weitere Anlage. Sie absorbiert das Lithium.

Der Oberrheingraben ist für dieses Verfahren ein idealer Standort. „Er ist aufgrund seiner geologischen Beschaffenheit, Lage und Größe ein besonderes Lithiumreservoir“, sagt Kreuter. Denn dort ist das Lithium schon natürlich gelöst und besonders hoch konzentriert. Außerdem punktet die Region mit einem weiteren Vorteil: Die Temperatur steigt mit zunehmender Tiefe deutlich – die Voraussetzung für das Geothermie-Verfahren. Bis zum Jahr 2024 sollen zwei Anlagen zur Lithiumherstellung entstehen, 2025 drei weitere. Wo genau, will Kreuter noch nicht verraten. Der künftige Standort sei „in der internen Diskussion“.

Das Projekt existiere bisher vor allem auf dem Papier, monieren Kritiker. Sie raten Investoren deshalb zur Vorsicht. Doch gelingt das Vorhaben, sind die Aussichten vielversprechend. Zwar verbraucht auch Vulcan Energie Wasser, um das Lithium zu gewinnen, doch liegt der Verbrauch um rund 83 Prozent niedriger als bei der Lithium-Förderung per Verdunstung. Das ergab eine Studie des Beratungsunternehmens Minviro, das auf die Umweltauswirkungen von Rohstoffunternehmen spezialisiert ist. Auch im Vergleich zum Tagebau fällt die CO2-Bilanz positiv für Vulcan Energie aus: Während der Tagebau in Australien je Tonne Lithium 15 Tonnen CO2 ausstößt, ist die Methode von Vulcan Energie unter dem Strich emissionsfrei. Bei der Produktion entsteht zwar CO2; weil aber Energie ins Netz eingespeist wird, ergibt sich eine Netto-Null. Und weil der Hersteller das Leichtmetall schon in der Region zu Lithiumhydroxid verarbeitet, kann es danach auf kurzen Wegen zu Automobil- und Batterieherstellern transportiert werden. Das hat einen weiteren Vorteil: Es stärkt den Standort Deutschland und verringert die Abhängigkeit von Chile und Australien.

Dem steht nicht mehr viel im Weg. Nach neun Monaten Entwicklungsarbeit konnte das Unternehmen im April 2021 das erste Lithiumhydroxid in einer Pilotanlage herstellen. „Wir sind sehr zufrieden“, sagt Kreuter. „Das Lithiumhydroxid übertrifft sogar die Anforderungen der Industrie an das Metall.“ Aktuell führt das Unternehmen weitere Tests durch und erhöht die Produktionsmengen. „Wir wollen nächstes Jahr eine Demonstrationsanlage aufbauen, bei der wir größere Mengen Lithium fördern und unsere Technik optimieren können“, sagt Kreuter. Bis zum Jahr 2024 will das Unternehmen 40.000 Tonnen Lithium herstellen – das wäre genug für eine Millionen E-Autos. Zusätzlich würde bei dieser Menge 650.000 MW Strom entstehen, mit dem man mehr als 300.000 E-Autos ein Jahr lang betreiben könnte.

Das Projekt bleibt nicht unbemerkt, viele Autohersteller planen die Zusammenarbeit mit Vulcan Energie. „Wir verzeichnen großes Interesse an unserem Vorhaben“, sagt Kreuter. Der Batterieproduzent LG Energy Solutions hat bereits die Abnahme von 5.000 Tonnen Lithium-Hydroxid für das Jahr 2025 angekündigt und will schrittweise auf 10.000 Tonnen pro Jahr erhöhen. Auch Stellantis, der Mutterkonzern von Opel, sowie Daimler sind als Abnehmer im Gespräch. Der geplante Preis ist verlockend. Mit 4.690 Euro je Tonne wäre Vulcan Energie etwas günstiger als die herkömmlichen Verfahren aus Chile und Australien.

Bis es konkurrenzfähig ist, braucht das Start-up aber vor allem eines: Zahlungswillige Investoren. Die Investitionskosten für das gesamte Projekt belaufen sich auf rund 1,7 Milliarden Euro, schätzt Kreuter. Bislang hat das Unternehmen davon erst 75 Millionen Euro eingesammelt. Es ist an der australischen Börse notiert und will im ersten Quartal 2022 an die Frankfurter Börse gehen. „Wir wollen auch europäischen Investoren die Möglichkeit bieten, sich an einer nachhaltigen und umweltfreundlichen Zukunft zu beteiligen“, sagt Kreuter. Dafür wünscht er sich auch die Unterstützung der Politik: „Wir brauchen den politischen Willen und die Akzeptanz auf allen Ebenen“. Dann könnte das Unternehmen der E-Mobilität künftig einen entscheidenden Schub geben.

40.000 Tonnen
Menge des Lithiums, das Vulcan Energie ab 2024 pro Jahr produzieren will
Quelle: Vulcan Energie Ressourcen

83 Prozent
Eingesparter Wasserverbrauch im Vergleich zu einer Salzwasseranlage in Chile
Quelle: Vulcan Energie Ressourcen

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