Zum Seiteninhalt springen Zur Fußzeile springen

Das zweite Leben der E-Batterie

Text von Marie Welling
27.07.2023
Unternehmen

Nach rund zehn Jahren haben E-Auto-Batterien zumeist ausgedient. Doch was passiert dann mit ihnen? Zwei deutsche Start-ups denken voraus und entwickeln Lösungen für ein Leben danach.

Diese beiden Pläne haben es in sich: 15 Millionen Elektroautos sollen laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung bis Ende des Jahres 2030 auf Deutschlands Straßen fahren. Das sind rund 15 Mal so viele wie aktuell. Zudem beschloss das Europäische Parlament das Aus des Verbrennungsmotors. Ab 2035 dürfen in der Europäischen Union (EU) nur noch Autos verkauft werden, die keine umweltschädlichen Treibhausgase ausstoßen. Beide Vorhaben führen zu einem großen Problem: Kommen immer mehr E-Auto-Batterien in Umlauf, führt das langfristig zu mehr Elektroschrott. Um das zu verhindern, hat das Aachener Start-up Voltfang eine Lösung gefunden, die ausrangierten Batterien ein zweites Leben gibt. Und wenn auch das irgendwann vorbei ist, bleibt nur noch eins: Recycling – mithilfe eines neuen chemischen Prozesses. Doch dazu später mehr.

Vom E-Auto in den Speicherschrank

Die meisten Automobilhersteller garantieren für E-Autobatterien laut ADAC nach acht Jahren eine Ladekapazität von 70 Prozent. Das scheint auf den ersten Blick viel zu sein. Dennoch bedeutet es, dass ein Auto mit einer Ladung deutlich weniger weit fahren kann als unmittelbar nach dem Neukauf. In vielen Fällen droht die Auswechslung.

Dabei sind die ausrangierten Batterien noch längst nicht unbrauchbar. Sie können zum Beispiel als stationäre Speicher weiterverwendet werden. Beim Start-up Voltfang sehen diese Speicher aus wie Serverschränke, in denen 18 bis 36 schuhkartongroße Lithium-Ionen-Batterien in zwei Reihen übereinander und nebeneinander gesteckt sind. Das System wird entweder durch Photovoltaikanlagen auf dem Dach gespeist oder, zu preisgünstigen Zeiten, aus dem Stromnetz. Die Voltfang-Speicher eignen sich zum Beispiel für Unternehmen mit hohen Lastspitzen, die oft einen hohen Stromverbrauch in sehr kurzer Zeit haben. Sie können mit dem Speicher Geld sparen: Statt teuren Strom aus dem Netz zu verwenden, haben sie ihre Speicher schon vorab mit günstiger Energie gefüllt. Andere Voltfang-Kunden verwenden die Speicher für den Notstrombetrieb, falls mal der Strom ausfällt.

Auch Sven Meier ist Voltfang-Kunde. Er betreibt im 2.000-Einwohner-Ort Steimbke in Niedersachsen ein Hotel. Meier war im Jahr 2021 einer der ersten Nutzer der Altbatterie-Speicher. Er suchte nach einer Lösung, um Strom aus seiner Photovoltaikanlage und seinem Blockheizkraftwerk zu speichern – und wurde bei Voltfang fündig. „Statt unseren überschüssigen Strom ins Netz einzuspeisen, können wir einen Teil davon nun speichern und dann nutzen, wenn wir ihn brauchen“, sagt er und ergänzt: „Das lohnt sich finanziell.“ Das bestätigt auch Marcel Weil, Experte für nachhaltige Energietechnologien am Karlsruher Institut für Technologie (KIT): „Stationäre Speicher rechnen sich für Gewerbekunden schnell, weil Lastspitzen im Betrieb dadurch reduziert werden.“

Steigender Lithiumbedarf

Jeder weiß: Soll die Energiewende gelingen, brauchen wir Speichersysteme wie etwa E-Batterien. „Dabei müssen wir aber aufpassen, dass die Energiewende nicht umweltschädlich wird“, sagt Voltfang-Mitgründer David Oudsandji. Wird das Leben von Batterien nicht komplett ausgenutzt, ist das wenig nachhaltig, erklärt er. In einer Batterie stecken viele Rohstoffe, unter anderem Lithium, Kobalt, Mangan, Kupfer und Nickel. Einem Bericht der EU-Kommission aus dem Jahr 2020 zufolge wird der Bedarf an Lithium, einem der Hauptbestandteile von Batterien, bis zum Jahr 2050 um das 60-Fache ansteigen. Kobalt brauchen wir voraussichtlich 15 Mal so viel wie heute. Schon jetzt stehen beide Stoffe auf der Liste der kritischen Rohstoffe der EU.

Für seine Speichersysteme kauft Voltfang gebrauchte E-Auto-Batterien und prüft mit einer eigens entwickelten Software, wie viel Speicherkapazität die Akkus noch haben. „Wenn sie nicht auf ein Minimum von 70 Prozent kommen, schicken wir sie entweder zurück oder geben sie direkt ins Recycling“, sagt Oudsandji. Seine Kunden merken nicht, dass die einzelnen Module nicht mehr auf eine Speicherkapazität von 100 Prozent kommen. Was am Ende zählt, ist die Gesamtkapazität des Schranks: Kauft ein Unternehmen einen Batteriespeicher mit 33 Kilowattstunden, erhält es auch die Kapazität von 33 Kilowattstunden.

Wiederverwenden statt entsorgen

Um der Rohstoffknappheit entgegenzuwirken, muss mehr wiederverwertet werden. Im Juni 2023 beschloss das Europäische Parlament daher eine Pflicht, ab dem Jahr 2031 Lithium zu 80 Prozent aus Altbatterien zurückzugewinnen und Kobalt, Kupfer, Blei und Nickel zu 95 Prozent. Der Recyclingprozess selbst stellt die Unternehmen allerdings vor große technische Herausforderungen. Insbesondere bei Lithium, denn dieser Stoff ist besonders schwierig von anderen Stoffen einer Batterie zu trennen. „Die Frage ist immer: Zu welchem Preis hole ich das letzte Prozent Lithium aus der Batterie heraus“, sagt Batterieexperte Weil. „Ist der Prozess sehr aufwändig, kommt irgendwann der Punkt, an dem das Recycling wirtschaftlich oder umwelttechnisch gesehen nicht mehr sinnvoll ist.“

Innovativer Recyclingprozess:
Tozero hat einen chemischen Prozess entwickelt, um über 80 Prozent des Lithiums aus Altbatterien zu recyceln.

Auf dem Bild v.l.n.r. die beiden Gründerinnen: Ksenija Milicevic Neumann und Sarah Fleischer.

Das schwarze Gold der Batterie

An diesem Punkt setzt das Münchner Start-up Tozero an. Mithilfe eines neuen chemischen Prozesses können die Gründerinnen nach eigenen Angaben mehr als 80 Prozent des Lithiums aus Altbatterien recyceln – zumindest in Laborversuchen. Damit erfüllen sie schon heute die EU-Richtlinien für das Jahr 2031.

Für die Wiedergewinnung der Rohstoffe arbeitet Tozero mit Unternehmen zusammen, die die Batterien entladen und das Gehäuse auseinandernehmen. Anschließend wird das Innere der Zelle geschreddert. Dabei entsteht feines, schwarzes Pulver. Diese sogenannte Schwarzmasse enthält wertvolle Rohstoffe wie Lithium, Kobalt, Kupfer, Nickel und Mangan. Mithilfe von Sieben, Magneten und chemischen Prozessen können diese voneinander getrennt werden.

Neu ist dieses Verfahren nicht, einzig der von Tozero entwickelte chemische Prozess nach dem Schreddern ist ein Novum. Das Start-up ist zwar gerade einmal ein Jahr alt, erreichte vor einigen Wochen jedoch einen Meilenstein: Laut Angabe des Unternehmens funktioniert der Prozess nicht nur im Labor, sondern die Gründerinnen haben ihre Idee bereits in größerem Maßstab umgesetzt. Wann die Technik massentauglich wird, ist unklar. Doch sie sind zuversichtlich, dass Tozero schon bald dazu beiträgt, E-Mobilität noch nachhaltiger zu machen.

130.000 Tonnen
Lithium wurden im Jahr 2022 weltweit gefördert.
Quelle: Statista

8 Kilogramm
Lithium (bis zu) stecken in einer E-Auto-Batterie.
Quelle: World Economic Forum

Ähnliche Artikel