Papier aus Laub
Schon als Schüler stellte Valentyn Frechka infrage, dass man zur Herstellung von Papier unbedingt Holz braucht. Würde es nicht auch funktionieren, wenn man stattdessen herabgefallenes Laub verwendet? Heute kennt sein Unternehmen Releaf Paper die Antwort: Ja, es geht!
Knapp 237 Kilogramm Verpackungsmaterial aus Kunststoff, Papier und Glas verbraucht jeder Deutsche im Jahr. Der Anteil von Papier, Pappe und Kartons war 2021 mit insgesamt 8,3 Millionen Tonnen so hoch wie lange nicht. Kein Wunder: „Durch den aktuellen Trend, Kunststoffe durch Papier zu ersetzen, wächst der Bedarf an Papierverpackungen ständig“, erklärt Lena Sellschopf, Nachhaltigkeitsbeauftragte des Deutschen Verpackungsinstituts, und ergänzt: „Damit steigt auch die Nachfrage nach Rohstoffen, die Fasern zur Papierherstellung liefern.“ Mit seiner Geschäftsidee ist der Ukrainer Valentyn Frechka deshalb ein Pionier: Schon 2018 kam er auf die Idee, Papier aus Laub herzustellen und so die Produktion von Verpackungen nachhaltiger zu gestalten.
Vom Schülerexperiment zur Geschäftsidee
Damals untersuchte Frechka in seiner Schule die Bestandteile pflanzlicher Materialien wie Gras und Weidenstroh. Als er eines Tages die Struktur von Laub unter die Lupe nahm, überschlugen sich seine Gedanken: „Blätter sind Teile von Bäumen. Aus Bäumen kann man Papier herstellen. Also sollte man aus Blättern doch auch Papier produzieren können – rein theoretisch zumindest.“ Bei der Theorie wollte es der Schüler nicht belassen. Im Chemieunterricht startete er erste Experimente, um Laubfasern, sogenannte Zellulose, zu isolieren und daraus Papier herzustellen. Seine Hartnäckigkeit zahlte sich aus: Schon bald hielt der 16-Jährige ein Blatt Papier, hergestellt aus Laub, in den Händen.
Seit diesem ersten Meilenstein ist viel passiert: Noch im selben Jahr machte Frechka seinen Schulabschluss und begann 2019 sein Studium in Biotechnologie an der Universität in Kiew. Parallel meldete er ein ukrainisches Patent für seine Technologie an, bei der aus Laub Zellulose zur Papierherstellung isoliert wird. 2021 gründete er schließlich gemeinsam mit dem bereits erfahrenen Unternehmer Alexander Sobolenko die Firma Releaf Paper.
Laub verarbeiten statt verbrennen
Das Start-up bezieht seinen Rohstoff von Städten, deren Straßen und Parks im Herbst zuhauf mit Laub bedeckt sind. „Wir verwenden ganz bewusst kein Material, das aus Wäldern stammt, denn dort trägt es zur ökologischen Stabilität bei“, erklärt Frechka. Bisher wurde das Laub immer verbrannt, nun befreit Releaf Paper die angelieferten Blättermassen durch Sieben und Waschen zunächst von Verunreinigungen wie Hundekot oder Plastikmüll. Anschließend beginnt die eigentliche Verarbeitung: Spezielle Maschinen komprimieren und trocknen die Blätter so lange, bis am Ende die Zellulose isoliert wurde – jene Fasern, die die Grundlage für die Papierherstellung bilden.
Bei dem von Frechka entwickelten Produktionsprozess handelt es sich um einen vollautomatisierten Ablauf, der gleich mehrere Vorteile mit sich bringt: Erstens lassen sich dünne und leicht zerreißbare Blätter einfacher behandeln als Holzstämme und erfordern daher weniger Wasser, Strom und Chemie bei der Verarbeitung. „Und zweitens benötigt man für die Aufbereitung von Laub nur eine kleine Produktionsstätte – im Unterschied zur Holzverarbeitung, bei der die genutzten Stämme sehr lang und schwer sind“, erklärt der Jungunternehmer.
Frechka achtete auch darauf, dass sich die Laubfasern bedenkenlos recyceln lassen – genauso wie herkömmliche Papierfasern aus Holz. Ein wichtiger Aspekt, der seiner Geschäftsidee immensen Aufschwung verleiht. Professor Samuel Schabel ist Leiter des Fachgebiets Papierfabrikation und Mechanische Verfahrenstechnik an der Technischen Universität Darmstadt und weiß: „Die Papierindustrie hat einen sehr eng geschlossenen Kreislauf. Das bedeutet: Wenn ich eine neuartige Faser herstelle und möchte, dass die Papierhersteller damit arbeiten, kommt es darauf an, wie das Produkt nach der Nutzung verwertet werden kann.“ Wer zum Beispiel erreichen möchte, dass Verbraucher die Verpackung in der Altpapiertonne entsorgen, muss sicherstellen, dass die Fasern nicht dem Papierkreislauf schaden. „Das kann zum Beispiel passieren, wenn die Fasern zu dunkel sind oder bei der Herstellung nicht durch chemische Zusätze oder Erhitzung entsprechend aufbereitet wurden“, erklärt Schabel.
Releaf Paper als Alternative, nicht als Ersatz
Kein Problem für Frechkas Start-up, das in den vergangenen Jahren voll auf Erfolgskurs gegangen ist. Heute stellt Releaf Paper, das 2022 aus der Ukraine nach Frankreich umgezogen ist, Papiertüten, Geschenkverpackungen und Kartons für bekannte Kunden wie L’Oréal Ukraine, Weleda, Samsung oder Chanel Ukraine her und zieht stetig neue Kunden aus Europa an. Bei allem Erfolg bleibt der Gründer realistisch. „Selbstverständlich können wir nicht das gesamte Holz, das zu Papier verarbeitet wird, durch Laub ersetzen. Aber wir sehen uns als vielversprechende Alternative – wie Gras- oder auch Heufasern“, stellt Frechka klar. Gregor Geiger vom Verband Die Papierindustrie stimmt dieser Einschätzung zu: „Wir haben weltweit einen wachsenden Bedarf – alternative Faserstoffe können hier einen wichtigen Beitrag leisten.“
Aktuell arbeiten Frechka und Sobolenko daran, ihre Produktionskapazitäten zu vergrößern. So wollen sie die steigende Nachfrage und die Aufträge neuer Großkunden, zum Beispiel auch aus der Lebensmittelindustrie, bedienen können. „Unser Markt wächst, denn weltweit legt der Konsum zu – und damit steigt auch der Bedarf an Verpackungen“, sagt Frechka.
25 Mal
können Papierfasern im Idealfall recycelt werden.
Quelle: muelltrennung-wirkt.de
77,9 Prozent
beträgt der Anteil von Altpapier bei der Papierherstellung in Deutschland.
Quelle: Umweltbundesamt
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