Zweites Leben für Schadholz
Mit einem innovativen Holzbausystem beweist das Start-up Triqbriq: Schadholz ist ein unterschätzter Wertstoff am Bau – und wird dringend benötigt. Es macht den Hausbau günstiger und lagert dabei auch noch CO2 ein.
Das Stuttgarter Unternehmen Triqbriq stellt aus Holz, das andernfalls oft verbrannt worden wäre, einen neuen Baustoff her: Holzbausteine, so genannte Briqs. Sie verbinden die wohnklimatischen Vorteile von Massivholz mit der baulichen Flexibilität von seriell hergestellten Ziegeln. So wird der Rohstoff Holz kreislauffähig und gleichzeitig zum CO2-Speicher.
Effiziente Kombination
Holz und Ziegel gehören jeweils zu den ältesten Baustoffen der Welt. Kein Wunder: Massivholz war und ist in manchen Regionen der Baustoff, der am leichtesten verfügbar ist. Ziegel in allen Variationen wiederum lassen sich effizient in Serie fertigen und flexibel zu Gebäuden mauern. Heiko Ammermann hat sich trotzdem weder für das eine noch für das andere entschieden – oder besser gesagt: Der Bauherr wählte eine ganz neue Kombination beider Baustoffe. Das Eigenheim, das er am Frankfurter Stadtrand baut, besteht aus einem neu entwickelten Material, den Briqs. Maurer können diese Holzblöcke wie Ziegel, Kalksandstein oder Porenbetonstein verarbeiten, mit dem entscheidenden Unterschied, dass der Rohbau viel schneller steht (siehe zweites Interview unten). Das System ist bauaufsichtlich zugelassen und kann in allen Gebäudeklassen eingesetzt werden, heißt es seitens Triqbriq.
Das Baumaterial bringt einen Vorteil mit sich, der insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel überzeugend klingt: „Bauherren können auf diese Weise CO2 einlagern“, erläutert Lewin Fricke von Triqbriq. „Wir verwenden zur Herstellung Holz, das sonst oft der thermischen Verwertung zugeführt wird.“ Holz, das verbrannt wird, gibt bekanntlich CO2 an die Atmosphäre ab. Jeder Baumstamm hingegen, der stattdessen verbaut wird, hilft dabei, die Folgen des Klimawandels zu begrenzen. Der Briq mit 30 cm Wandstärke zum Beispiel lagert rund 200 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter Wand ein, die Zahl ist Unternehmensangaben zufolge vom TÜV geprüft.
Produktion in Tübingen
Die dem System zugrundeliegende Idee ist so simpel wir effizient: Triqbriq setzt präzise zurechtgesägtes Holz dank eines patentierten Systems zu normierten Holzblöcken zusammen. Diese mikro-modularen Blöcke, die Briqs, sind in drei Größen verfügbar und kommen ohne Leim oder ähnliche Bindemittel aus. Holzdübel halten das System fest zusammen – sowohl die einzelnen Teile der Blöcke als auch die Blöcke in der Mauer.
Die Grundidee für die Briqs stammt von Architekt Werner Grosse. Gemeinsam mit ihm hat das Team rund um Unternehmensgründer und Geschäftsführer Max Wörner diese neue Art des Bauens mit Holz weiterentwickelt und eine serielle Fertigung in Tübingen aufgebaut. Den nötigen Rohstoff bezieht Triqbriq aktuell hauptsächlich von einem Sägewerk, das etwa 20 Kilometer entfernt liegt. Das FSC-zertifizierte Holz stammt Fricke zufolge aus der Region um das Sägewerk.
Präzision ist alles – dank Roboter
Das Sägewerk liefert das Holz bereits grob zugesägt und industriell getrocknet bei der Triqbriq-Produktion an. So ist sichergestellt, dass im Holz keine Schädlinge mehr sind. Die gelieferten Holzbalken werden dann erst einmal glatt gehobelt. „Das ist wichtig, da das ganze System auf hochpräzisem Arbeiten beruht – da muss alles exakt passen“, erläutert Fricke.
Danach kommen die gehobelten Balken in die fünf mal zehn Meter große Produktionshalle. Dort übernehmen sechs Kuka-Roboter: Am Anfang fährt ein Kreissägeblatt hoch und kappt das jeweilige Werkstück auf die benötigte Länge. Anschließend wandern Roboterarme über das Holz und bohren die Löcher für die Dübel. Dann geht es weiter zu anderen Robotern, die sukzessive die einzelnen Teile mit Buchenholzdübeln bestücken und zu einem Baustein zusammenfügen. Der letzte Roboter nimmt den fertigen Briq und verlädt ihn auf die Palette.
Das Holz bleibt im Kreislauf
„Wir verarbeiten bisher vorzugsweise sogenanntes Kalamitätsholz – also Holz, das aufgrund von Insektenbefall oder auch Sturmschäden eingeschlagen werden muss“, sagt Fricke. Kritische Stimmen bemängeln, dass dieses Kalamitätsholz als Totholz im Wald eine wichtige Funktion für das Ökosystem erfüllt. Es komplett abzuernten und zu Baumaterial zu verarbeiten, könnte negative Auswirkungen auf die Umwelt und die Artenvielfalt im Wald haben.
Das lässt Fricke so allgemein jedoch nicht gelten: „Ich bin Jäger und kenne mich in der Forstwirtschaft aus. Selbstverständlich erfüllt Totholz eine zentrale Funktion im Ökosystem, in das wir nicht mehr als nötig eingreifen sollten und wollen. Wir haben aber aufgrund der bereits spürbaren Folgen des Klimawandels aktuell so viele Festmeter Kalamitätsholz in Deutschland – selbst wenn wir alles mitnehmen würden, was wir weiterverarbeiten könnten, bliebe noch genug Totholz übrig.“ Tatsächlich waren Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zufolge rund 57 Prozent des 2022 eingeschlagenen Holzes Kalamitätsholz.
Trotzdem machen Triqbriq-Geschäftsführer Max Wörner und sein Team sich bereits Gedanken darüber, woher das Holz für das neue Bausystem herkommen könnte, wenn der Wald eines Tages nicht mehr genug Kalamitätsholz liefert (siehe erstes Interview unten). Zum Einsatz soll zum Beispiel vermehrt Holz aus rückgebauten Gebäuden kommen, denn die Briqs sind von Anfang an kreislauffähig gedacht. Zunächst einmal sind sie so konstruiert, dass sie als Wertstoff wieder abgebaut und neu verwendet werden können. Vor allem aber bieten sie eine günstige Möglichkeit, gebrauchtes Bauholz generell weiter zu verwenden, statt es einfach zu verbrennen. „Wir haben gemeinsam mit dem Unternehmen Concular gezeigt, dass wir Holz aus einem rückgebauten Supermarkt in Heilbronn weiterverwerten können“, erzählt Fricke.
In der Baubranche wird man langsam aufmerksam auf die Idee und zollt ihr Respekt: Für die praktische Umsetzung hat das Start-up gemeinsam mit anderen Partnern den diesjährigen Innovationspreis Architektur+Bauwesen gewonnen, vergeben von der Architektur-Fachzeitschrift AIT und der Branchenleitmesse BAU 2023.
„Holz ist ein Wert, der erhalten bleiben muss“
Interview mit Max Wörner, Gründer und Geschäftsführer von Triqbriq
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Unternehmen für nachhaltige Baustoffe zu gründen?
Max Wörner: Als Industriekletterer bin ich jahrelang immer wieder in Berührung mit der Bauindustrie gekommen, als Sportkletterer bringe ich eine große Naturverbundenheit mit. Deshalb war klar: Ich will die aus ökologischen und ökonomischen Gründen dringend benötigte Bauwende mitgestalten. Die Idee von Werner Grosse, bisher nicht effizient genutztes Holz zu Bausteinen zusammenzusetzen, hat mich daher fasziniert.
Was meinen Sie mit Bauwende?
Knapper werdende Ressourcen werden immer teurer. Gleichzeitig verfeuern wir Holz und damit bares Geld, weil wir nicht wissen, wie wir es effizient anders nutzen können. Als Baustoffhersteller haben wir aber eine Verantwortung für die Natur. In den letzten Jahrzehnten haben wir verlernt, Ressourcen effizient zu nutzen. Alles musste schnell gehen und alles konnte man wegwerfen. Wir plädieren dafür, die Baustoffe selbst wieder als werthaltiges Produkt zu verstehen. Weg von der Wegwerfmentalität, hin zum Kreislauf auch in der Bauwirtschaft.
Inwiefern hat das Auswirkungen, zum Beispiel auf das Klima?
Ganz einfach: Wenn wir Holz zum Bauen verwenden, lagern wir CO2 in Architektur ein. Damit schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Schadholz ist günstiger als das schön anzusehende, perfekte Massivholz, bringt aber die gleichen wohnlichen Eigenschaften mit. Und verbautes Holz lagert CO2 ein, statt es an die Atmosphäre abzugeben. Das ist viel einfacher, als Holz zu verbrennen und das CO2 dann abzufangen und in irgendwelche Lagerstätten zu pumpen. Unser Weg schafft Werte.
Was machen Sie denn, wenn Triqbriq so erfolgreich wird, dass es gar nicht mehr genug Schadholz gibt?
Wir arbeiten ja nicht nur mit Schadholz. Wir können auch mit rückgebautem Holz Briqs produzieren oder mit Industrieholz. Wie sinnlos ist es denn, zum Beispiel Lagerhölzer nur einmal zu verwenden und dann zu verbrennen? Wir können daraus einen Baustoff machen. Aber wir arbeiten auch schon an Ideen, wie wir zum Beispiel das schnellwachsende Holz des Kiribaums nutzen können. Dieser Baum wächst praktisch überall und kann schon nach sieben Jahren forstwirtschaftlich verwertet werden. Die erste Musterlieferung, mit der wir gerade arbeiten, kommt übrigens aus Brandenburg.
Wachsen also künftig große Kiribaum-Plantagen in Brandenburg?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber was ich sicher sagen kann: Eigentlich haben wir in Deutschland genug Holz. Wir haben nur verlernt, es als Wert zu betrachten, der erhalten bleiben muss – und zwar auch, nachdem der Baum gefällt ist. Wir verbrennen viel zu viel davon. Das muss aufhören.