Der Kampf gegen den Müll
Die 26-jährige Nivedha R.M hat sich ein großes Ziel gesteckt: Sie will den Müll aus den Straßen ihrer Heimat Indien verbannen. Mit ihrem Unternehmen Trashcon entwickelte sie eine vollautomatische Sortieranlage, die wertvolles Plastik aus den Müllbergen sammelt, das dann recycelt werden kann. Ihr Engagement findet inzwischen weltweit Beachtung.
Müll, überall Müll. Egal wohin man blickt. Es stinkt. Fliegen surren umher. Hier und da qualmt es aus einem der kleinen Abfallhügel, die sich in den Stadtvierteln gebildet haben. Aus manchen züngeln sogar Flammen empor. Die Bewohner der indischen Stadt Bengaluru scheint dies nicht zu beeindrucken: Sie gehen unbeirrt ihrer Wege. Kinder spielen neben den Haufen aus ausrangierten Möbeln, rostigen Autoteilen und Essensresten.
In den ärmeren Vierteln von Indiens drittgrößter Stadt sind solch vermüllte Straßenzüge und lokale Müllhalden mitten in den Stadtvierteln ein alltägliches Bild. Dabei ist die Metropole, die früher „Bangalore“ hieß, nicht nur IT-Experten als Silicon Valley Indiens bekannt. Reisende schätzen die vielen Gärten, Tempel und Paläste. Doch abseits der wirtschaftlichen und touristischen Zentren wird sichtbar, dass die 8,4-Millionen-Einwohner-Metropole die gleichen Probleme hat wie viele andere indische Städte: Schnelles Wachstum der Bevölkerung und der Industrie sowie der zunehmende Konsum überfordern die Kommunen, deren Infrastruktur oftmals nicht Schritt halten kann. Eine Konsequenz ist, dass ein großer Teil des Mülls auf der Straße landet statt in Recyclinganlagen oder auf Deponien.
Auch für Nivedha R.M ist es seit Kindheitstagen Normalität, dass Abfälle in ihrem Stadtviertel abgeladen und verbrannt werden. Die Stadtverwaltung kommt mit dem Abtransport kaum hinterher – und für private Unternehmen war es bislang nicht attraktiv, sich dieser unsortierten Müllberge anzunehmen. „Sie enthalten alles, was man sich nur vorstellen kann: Essensreste, Plastik und Kartons, aber auch Blut, Windeln, Metall, Bauschutt und sogar medizinischen Sondermüll“, sagt die 26-Jährige. Dabei fällt in indischen Haushalten insgesamt weniger Müll an als zum Beispiel in deutschen: Jeder Inder produziert durchschnittlich etwa 500 bis 600 Gramm Abfall pro Tag, so das Umweltbundesamt. Jeder Deutsche kommt dagegen laut Statista auf täglich 1,25 Kilogramm.
Doch hierzulande legt das Verpackungsgesetz penibel fest, dass zum Beispiel Verpackungen aus Karton und Glas zu 90 Prozent und aus Kunststoffen zu 63 Prozent recycelt werden müssen. Abfälle werden daher in der Regel bereits in den Haushalten und Unternehmen vorsortiert und können dann getrennt voneinander abgeholt und weiterverarbeitet werden. Eine ganze Recycling-Industrie hat sich darauf spezialisiert, diese wiedergewonnenen Rohstoffe einem neuen Nutzen zuzuführen. In Indien hingegen, berichtet Nivedha, werden gut 95 Prozent der Abfälle gar nicht recycelt, sondern einfach unsortiert verbrannt oder auf Deponien gelagert. Die junge Frau weiß, wovon sie spricht. Die Chemie-Ingenieurin ist längst Expertin in Sachen Mülltrennung.
Schon 2016, als 20-Jährige, entschied sich Nivedha dafür, Indiens Müllbergen den Kampf anzusagen. Sie erkannte, dass die einzelnen Wertstoffe, die in den Straßen unsortiert herumlagen, von großem finanziellem Wert sein können – vorausgesetzt, es gelingt, sie sauber voneinander zu trennen. Vor allem die verschiedenen Plastikvarianten, die in den Müllbergen verborgen liegen, könnte man zur Herstellung neuer Produkte verwenden. Zusammen mit ihrem Freund Saurabh Jain, einem gelernten Wirtschaftsprüfer und Elektroingenieur, machte sich Nivedha Gedanken über ein automatisches Sortiersystem: „Es sollte robust, kostengünstig sowie platzsparend sein und vor allem leicht zu bedienen“, fasst Nivedha die Anforderungen an ihre Entwicklung zusammen.
Zusammen mit einem kleinen Team tüftelten die beiden an ihrer Maschine, dem Trashbot. Sie gründeten ein Unternehmen, Trashcon, um die Sortieranlage weiterzuentwickeln und zu vermarkten. Ihr Startgeld: Rund 2.500 Euro, die sich Nivedha von ihrer Mutter lieh. Nach mehr als drei Jahren war der Trashbot funktionsfähig und konnte die erste Ladung unsortierten Müll verarbeiten. Dabei fischt zunächst ein Magnet einige recycelbare Metalle und schadstoffhaltige Materialien heraus, zum Beispiel Batterien. Was auf dem Förderband liegen bleibt, landet in einer Zerkleinerungsanlage. Im nächsten Schritt sorgt ein Gebläse mit seinem starken Luftstrahl dafür, dass sich die trockenen und somit leichten Häcksel von den feuchten, schweren Stücken trennen. Letzteres ist in der Regel Biomüll, den Trashcon verkauft, damit er zu Gülledünger oder Biogas weiterverarbeitet werden kann.
Bei allem, was vom Gebläse weggepustet wird, handelt es sich zumeist um biologisch nicht abbaubaren Abfall, vor allem um Kunststoffe. „Unsere Maschine trennt tatsächlich Plastik vom restlichen Abfall – vollautomatisch und ohne manuellen Aufwand“, erklärt Nivedha gegenüber dem indischen Nachrichtenportal Newsmeter. 500 Tonnen Müll kann ein Trashbot auf diesem Weg pro Tag verarbeiten, künftig sollen es sogar 2.000 Tonnen täglich sein.
Was aber passiert dann mit dem vorsortierten Plastik? Auch dafür haben sich die jungen Tüftler etwas einfallen lassen. Trashcon fertigt aus den gesammelten Kunststoffen Platten, die sie zum Beispiel zum Bau von Möbeln verwenden. Diese WoW-Platten – WoW steht für Wealth out of Waste – sollen Sperrholz ersetzen, das bis zu 40 Prozent mehr kostet und für das extra Bäume gerodet werden müssen. „Die Herstellung der Platten erfolgt emissionsfrei. Zudem verwenden wir keine chemischen Bindemittel – so können sie nach ihrer Nutzung noch einmal recycelt werden“, sagt Nivedha im Newsmeter-Interview. Das Konzept überzeugt: In den Klassenzimmern von rund 3.000 staatlichen Schulen im indischen Bundesstaat Karnataka stehen bereits Bänke aus WoW-Platten. Zudem verkaufen die beiden Unternehmer ihr Produkt über große E-Commerce-Plattformen.
Nivedhas Initiative weckt inzwischen weltweit Aufmerksamkeit. So konnte die Inderin ihr Engagement zum Beispiel beim World Economic Forum 2022 vorstellen. Die Weltbank und auch die britische Regierung unterstützen Trashcon, das derzeit rund 60 Mitarbeiter beschäftigt. Die Anlagen sortieren bereits in sechs indischen Bundesstaaten Müll. „Zu unseren Kunden gehören sowohl private als auch öffentliche Sperrmüllproduzenten, Kommunen sowie Unternehmen“, sagt Nivedha. Das indische Nachrichtenportal News18 vermeldete sogar, dass Trashcon bereits Verträge mit Geschäftspartnern in Thailand, Indonesien und Singapur abgeschlossen habe. Große Konzerne wie Cadbury oder Unilever seien ebenfalls an einer Zusammenarbeit interessiert und wollen in Trashbots investieren.
Doch wichtiger als der wirtschaftliche Erfolg ihres Unternehmens ist Nivedha der Gedanke, den Müll in Indien und in vielen anderen Ländern endlich aus den Straßen zu verbannen. „Meine Vision ist, dass ich meiner Tochter in 20 Jahren die Geschichte von Trashcon erzähle und sie mich fragt: ,Was ist Müll?´“, lässt sich die junge Weltenwandlerin zitieren.
Bis 2025
soll in Indien PET zu 100 Prozent und weitere 157 Kunststoffe zu 75 Prozent recycelt oder wiederverwertet werden, so die Planung des indischen Umweltministeriums.
70 Prozent
der indischen Stadtbezirke verfügen über ein Mülltrennungssystem.
Quelle: Ministry of Housing and Urban Affairs
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