Warm, wärmer, Wasserwärmepumpe
Seawarm, ein Spin-off der Universität Edinburgh, hat einen Wärmetauscher für eine Wärmepumpe entwickelt, die Energie aus Meeren, Flüssen und Seen auch für kleine Gebäude nutzbar macht. Erste Pilotprojekte zeigen positive Ergebnisse. Bereits Ende des Jahres will Seawarm die Technologie auf den Markt bringen.
Wärmepumpen sind ein wichtiger Baustein der Energiewende. Im Vergleich zu konventionellen Gas- oder Ölheizungen beziehen sie rund drei Viertel der Heizenergie aus der Umwelt und sparen so CO2-Emissionen. Die meisten Menschen entscheiden sich für eine Luftwärmepumpe, weil sie das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis bietet und ohne großen Aufwand zu installieren ist. Betrachtet man jedoch nur die Leistung, liegen Erd- und Wasserwärmepumpen deutlich vorne. Wasser gilt als besonders effiziente Wärmequelle, da seine Temperaturen konstanter sind als die von Luft.
Von der Forschung in die Praxis
Zwei Wissenschaftler der Universität Edinburgh haben dieses Potenzial erkannt und einen Wärmetauscher für Wärmepumpen entwickelt, der Oberflächenwasser aus verschiedenen Quellen zur Wärmeerzeugung nutzt. Gefördert wurde das Projekt von Scottish Enterprise, einer öffentlichen Einrichtung der schottischen Regierung. Egal ob die Energie aus dem Meer, aus Flüssen, Seen oder sogar aus dem Abwasser kommt: Der Effizienzverlust ist gering. „Wir haben festgestellt, dass Wärmequellen aus dem Boden, also Grundwasser oder Erdwärme, zwar erneuerbar sind, aber nicht unendlich nutzbar. Sie müssen sich regenerieren, weshalb die Effizienz einer Wärmepumpe nach einiger Zeit sinkt“, erklärt Dr. Gus Fraser-Harris. Er ist Hydrogeologe und hat zusammen mit seinem Kollegen Prof. Christopher McDermott an der Universität Edinburgh gelehrt.
Fraser-Harris und McDermott beschlossen, ihre Forschungsergebnisse in die Praxis umzusetzen: Vor etwa zwei Jahren entwickelten sie den ersten Prototypen. Heute ist das System bereits in mehreren Gebäuden wie Museen und kommerziellen Gewächshäusern in Schottland im Einsatz – mit beeindruckenden Ergebnissen.
Pilottest unter extremen Bedingungen
Auf einem stillgelegten Marinestützpunkt in South Queensferry, unweit der schottischen Hauptstadt Edinburgh, führten die Forscher im Jahr 2023 erste Tests durch. Energie lieferte das Wasser des nahe gelegenen Firth of Forth, eine Förde an der schottischen Ostküste. Die Bedingungen waren besonders herausfordernd, da die zu beheizenden Gebäude baufällig waren und weder über Dämmung noch über intakte Fenster verfügten.
Die Wärmepumpe konnte die Gebäude auf bis zu 25 Grad heizen und erreichte trotz der widrigen Verhältnisse Leistungen von 2,87 bis 4,02 COP (Coefficient of Performance). Dieser Wert bezeichnet den Wirkungsgrad der Wärmepumpe, also das Verhältnis von erzeugter Wärme zu verbrauchtem Strom. Er liegt in der Regel zwischen drei und fünf. Rutscht das Ergebnis unter zwei, bedeutet das, dass die Anlage nicht wirtschaftlich ist.
Hoher Wirkungsgrad – niedrige Emissionen
Was das Seawarm-System in einem gedämmten Gebäude bewirken kann, zeigt eine Installation, die das Unternehmen im Mai 2024 vornahm: Im Bleibergbau-Museum im Bergdorf Wanlockhead erreicht das System im Durchschnitt eine Leistungszahl von 3,7. Damit spart das Museum nicht nur Geld, sondern verbessert auch seine CO2-Bilanz. Im Vergleich zur zuvor genutzten Elektroheizung verursacht die Wärme aus der Wärmepumpe 73 Prozent weniger Emissionen. Für Fraser-Harris eine erfreuliche Entwicklung: „Schließlich will ich nicht mehr nur lehren und forschen, ich will etwas gegen den Klimawandel tun und die Dekarbonisierung vorantreiben.“
Nachhaltiger Wärmekreislauf
Die von Seawarm als Hot-Twist bezeichnete Technologie erreicht ihre guten Wirkungsgrade durch einen eigens entwickelten Wärmetauscher in Verbindung mit einer handelsüblichen Wärmepumpe. Hierfür wird Wasser aus einer Quelle, die bis zu 500 Meter entfernt sein kann, zunächst in einem 3,7 Kubikmeter großen Tank gesammelt. Im Wärmetauscher befinden sich spiralförmige Rohre, die Seawarm maßanfertigen lässt und die für eine möglichst große Wärmeübertragung optimiert sind. Durch diese Rohre fließt Glykol, ein flüssiger Wärmeträger, der die Übertragung der Energie von einem auf das andere Medium erleichtert. Es entzieht dem Wasser im Tank die Wärme und überträgt diese auf ein Kältemittel in der Wärmepumpe, wodurch das Kältemittel verdampft. Das gasförmige Kältemittel wird zu einem Kompressor geleitet, wo es verdichtet und dadurch erhitzt wird. Die Wärme landet dann im Heizsystem des Gebäudes. Wenn die Temperatur des Kältemittels sinkt und es zu Flüssigkeit kondensiert, kann es anschließend wieder Wärme aus dem Wasser im Tank aufnehmen.
Eine weitere Besonderheit der Seawarm-Technologie: Auch an eisigen Wintertagen funktioniert sie besonders effizient. „Gefriert das Wasser im Tank, wird beim Übergang von flüssig zu fest und wieder zurück viel Energie freigesetzt, die der Wärmetauscher nutzbar machen kann“, erklärt Fraser-Harris. „Das bedeutet, dass auch unter den widrigsten Bedingungen ein enormer Energiepuffer vorhanden ist.“
Nur für kleine Nischen?
Branchenkenner werden nun sagen: Wärmepumpen, die Wasser auf unterschiedliche Weise als Energiequelle nutzen, gibt es schon lange. Allerdings werden sie meist in großen Wärmenetzen eingesetzt. Ein Beispiel dafür ist die größte Flusswärmepumpe Europas in Mannheim, die im Oktober 2023 ihren Betrieb aufnahm. Mithilfe des Rheinwassers kann sie auf einen Schlag mehr als 3.500 Haushalte per Fernwärme emissionsfrei versorgen.
Zum Heizen und Kühlen einzelner kleinerer Gebäude wie Einfamilienhäuser sind diese Großanlagen jedoch nicht geeignet. Das soll sich mit der Seawarm-Technologie ändern, denn wegen baulicher Gegebenheiten eignen sich nicht alle Gebäude für den Anschluss an ein zentrales Netz: „Wir haben mit unserem kompakten und robusten Wärmetauscher ein neues Anwendungskonzept geschaffen, sodass auch kleine Gebäude mit Zugang zu einer Wasserquelle diese Ressource optimal nutzen können“, sagt Fraser-Harris. Von der Technik profitieren also vor allem einzelne Gebäude, die in der Nähe von Gewässern liegen, aber keinen Zugang zu einem Fernwärmenetz haben, da in der Nähe zum Beispiel keine Großwärmepumpe installiert wurde. Laut Marek Miara, Wärmepumpenexperte am Fraunhofer ISE, könnte sich daraus ein Mehrwert für bestimmte Nischenanwendungen ergeben. Er bezweifelt jedoch, dass die Seawarm-Wärmepumpe eine echte Alternative zu den immer effizienter und geräuschärmer arbeitenden Luftwärmepumpen sein wird, die derzeit in den meisten Haushalten installiert werden.
Ehrgeizige Ziele
Interesse an der neuen Technologie besteht dennoch: Mehr als 80 Anfragen aus aller Welt haben die Forscher bisher erhalten, sowohl von Wärmepumpeninstallateuren als auch von Privatpersonen oder anderen Zielgruppen, die etwa Yachthäfen, Hotels oder Gärtnereien betreiben. Da Seawarm derzeit ein Universitätsprojekt ist, kann es allerdings noch einige Zeit dauern, bis die ersten Aufträge realisiert werden.
Im nächsten Schritt soll Seawarm erst einmal ein eigenständiges Start-up werden, losgelöst von der Hochschule. Zudem soll das bisher fünfköpfige Team wachsen. Ende 2024 planen die Gründer, ihr Produkt auf den britischen Markt zu bringen. Preislich soll das innovative System zwischen Luft- und Erdwärmepumpen liegen. „Mit dem Preis einer Luftwärmepumpe von etwa 12.000 Euro können wir nicht mithalten, dafür ist unsere Wärmepumpe aber effizienter“, argumentiert Fraser-Harris. Im Vergleich zu Erd- und Grundwasserwärmepumpen sind zudem keine aufwendigen Bohrungen nötig, was sie günstiger macht. 2027 soll die Technologie dann endlich auch international verfügbar sein.
1968 Jahr
schloss Klemens Oskar Waterkotte die erste Erdwärmepumpe in Deutschland an.
Quelle: Bundesverband Wärmepumpe
6,7 Wärmepumpen
pro 1.000 Haushalte wurden in Deutschland 2022 eingebaut. Beim Vorreiter Finnland sind es mit 69,4 mehr als zehnmal so viele.
Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
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