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Ein zweites Leben für Handys und Computer

Text von Stefan Weber
19.10.2023
Unternehmen

Beim Einkauf Geld sparen und gleichzeitig etwas Gutes für die Umwelt tun: Mit diesem doppelten Versprechen bietet refurbed sorgfältig aufbereitete gebrauchte Produkte an. Das Ziel des jungen, aber schon sehr erfolgreichen Unternehmens lautet: Wir wollen das Amazon für nachhaltigen Konsum werden.

Masterstudium in Shanghai und dann gleich ein verantwortungsvoller Job bei Amazon: Der Berufsstart von Kilian Kaminski verlief vielversprechend. Bei der Deutschlandtochter des Onlineversenders sollte er das Geschäft mit aufbereiteten Produkten aufbauen. „Leiter des Certified Refurbished Programms“, so lautete sein Jobtitel. Das klang sehr bedeutungsvoll. „Aber ich habe rasch gemerkt, dass das Programm im Konzern keine hohe Priorität besaß. Viel wichtiger war den Verantwortlichen der Verkauf neuer Produkte, denn dabei ist die Marge deutlich attraktiver“, erzählt Kaminski. Der gebürtige Hamburger sah sich in einer Sackgasse.

Mit vielen Zweifeln im Gepäck reiste er kurz vor Weihnachten 2016 nach Wien, um seinen Studienfreund Peter Windischhofer zu treffen. Der Oberösterreicher hatte nach dem Studium bei einer großen Unternehmensberatung angeheuert und war dort ebenso wenig glücklich wie Kaminski bei einem Onlinehändler. So fassten die ehemaligen Kommilitonen den Entschluss: Wir machen unser eigenes Ding auf dem Refurbishedmarkt. Kaminskis Branchenkenntnis, kombiniert mit Windischhofers Beraterexpertise – das schien ihnen ein guter Mix zu sein. Über das österreichische Start-up-Netzwerk knüpften sie Kontakt zu Jürgen Riedl, einem jungen IT-Spezialisten, der innerhalb von fünf Monaten eine technische Infrastruktur für ihr junges gemeinsames Unternehmen aufsetzte. Dann konnte es losgehen mit refurbed.

In seiner Zeit bei Amazon hatte Kaminski, 33, erlebt, welche Dynamik in dem Geschäft mit aufbereiteten Produkten liegen kann, wenn man es richtig angeht. Unternehmen tauschen in schöner Regelmäßigkeit und häufig auch in großem Stil Handys, Laptops und PCs aus, um technologisch mit der Zeit zu gehen. Telekommunikationsprovider sitzen auf großen Beständen gebrauchter Geräte und viele Markenhersteller suchen nach Verwertungsmöglichkeiten für Retouren. Hinzu kommt: Für viele Privatpersonen ist es wichtig, ein möglichst aktuelles Smartphone zu besitzen. Das Vorgängermodell landet oft in der Schublade, obwohl es noch prima funktioniert.

Nach einer Untersuchung des Freiburger Öko-Instituts stecken beispielsweise in einem Smartphone gut 300 Milligramm Silber und etwa 30 Milligramm Gold.

Berge von Elektromüll schaden der Umwelt und vernichten Werte

Das Ergebnis ist ein immer größer werdender Berg von Elektromüll. Verheerend für die Umwelt und obendrein eine erhebliche Vernichtung von Werten. Denn nach einer Untersuchung des Freiburger Öko-Instituts stecken beispielsweise in einem Smartphone gut 300 Milligramm Silber und etwa 30 Milligramm Gold. Dazu kommen geringere Mengen Kupfer, Eisen und Aluminium sowie weitere Metalle. Viel zu wertvoll, um im Abfall zu landen.

Das Ziel, so dachten sich die refurbed-Gründer, müsse somit heißen: Weg von der Wegwerfgesellschaft, hin zu einer Kreislaufwirtschaft. Also zu einem Modell der Produktion und des Verbrauchs, bei dem bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden. Altgeräte mit Potenzial für ein zweites Leben gibt es mehr als genug. Aber gibt es dafür auch ausreichend Nachfrage? „Die wenigsten Verbraucher suchen oberflächlich flottgemachte Gebrauchtware. Aber sorgfältig aufbereitete und mit Garantie angebotene Artikel sind durchaus begehrt“, sagt Kaminski. Der Preis für diese generalüberholten Produkte liegt bei refurbed zwischen 20 und 40 Prozent unter dem Preis originalverpackter Neuware.

Das doppelte Versprechen des Marktplatzes für aufbereitete Geräte an seine Kundschaft lautet: Beim Kauf Geld sparen und gleichzeitig etwas Gutes für die Umwelt tun. Das kommt an. Das Interesse an Refurbishedprodukten steigt kontinuierlich. Die International Data Corporation (IDC) aus den USA erwartet, dass 2024 weltweit mehr als 350 Millionen gebrauchte Smartphones verkauft werden. 2019 waren es erst gut 200 Millionen gewesen. In Zeiten konjunktureller Unsicherheit und hoher Inflation zieht vor allem das Argument eines – im Vergleich zur Neuware – niedrigeren Preises. „In den vergangenen Jahren haben wir eine starke Entwicklung dahin gesehen, dass die Kunden aufbereitete Produkte vor allem aus Gründen der Nachhaltigkeit kaufen. Doch mit dem Anstieg der Teuerungsrate verzeichnen wir seit Sommer 2022 auch wieder mehr Interesse von Kunden, denen vor allem der Preis wichtig ist“, sagt Kaminski.

Immer mehr Unternehmen fragen: Müssen es neue PCs sein?

Aber es sind nicht nur Privatpersonen, die sich vermehrt für erneuerte Produkte interessieren. Immer häufiger hinterfragen auch Unternehmen ihre Beschaffungspolitik: Müssen es tatsächlich immer neue Handys, Tablets oder PCs sein? Hinter diesen Zweifeln steht zum einen der Druck, Kosten zu sparen. Aber mindestens genauso groß ist der Wunsch, in Sachen Nachhaltigkeit zu punkten.

„Die strenge Regulatorik und die kritischen Blicke von Kunden und Geschäftspartnern lassen vielen Unternehmen keine andere Wahl, als nachhaltiger zu agieren. Dazu gehört auch ein ökologisch verantwortungsvollerer Umgang mit ihrer IT-Infrastruktur“, sagt Kaminski. So erhält refurbed immer häufiger Anfragen vor allem aus dem Mittelstand und hat auch ein eigenes B2B-Team ins Leben gerufen.

Zwischen An- und Verkauf steht die Aufbereitung der Geräte. „Wir kooperieren mit professionellen Refurbishern in vielen europäischen Ländern, die jeweils mehrere Tausend Geräte pro Woche generalüberholen, Speicher zertifiziert löschen und Ersatzteile austauschen. Viele von ihnen sind auf eine Warengruppe, manche sogar auf Produkte eines Herstellers spezialisiert. Das ermöglicht gute Preise, denn diese Refurbisher kaufen Ersatzteile in großen Mengen“, erläutert der refurbed-Gründer. Er weiß: Je mehr die generalüberholten Artikel der Neuware gleichkommen, umso positiver sind die Kunden überrascht, wenn sie die Produkte in Händen halten. Und umso begeisterter werden sie dann im Freundes- und Bekanntenkreis von ihrem Kauf berichten.

Zwischen „neu“ und „gebraucht“ schiebt sich „erneuert“ – und refurbed gehört zu den Anbietern, die Tempo in dieses mehr und mehr beachtete Business bringen.

Das zahlt sich aus für refurbed. Mehr als die Hälfte der Kunden kommt auf Empfehlung. Der erste Kauf ist meist ein Smartphone. Wer damit zufrieden ist, schaut sich bei der nächsten größeren Anschaffung um, ob es dazu nicht auch eine erneuerte Alternative gibt. So entsteht ein Markt, den es bisher nicht gegeben hat. Zwischen „neu“ und „gebraucht“ schiebt sich „erneuert“ – und refurbed gehört zu den Anbietern, die Tempo in dieses mehr und mehr beachtete Business bringen.

„Wer schnell verkauft, glaubt nicht an seine Idee“

Das Unternehmen mit Stammsitz in Wien ist im siebten Jahr nach seiner Gründung bereits in neun europäischen Ländern aktiv, zählt mehr als 300 Mitarbeitende und erwirtschaftet einen nicht näher bezifferten mittleren dreistelligen Millionenumsatz.

Ziel ist es, Ende 2023 profitabel zu arbeiten. Das Gründertrio Kaminski, Windischhofer und Riedl hält gut ein Drittel der Anteile. Die übrigen Anteile sind Eigentum mehrerer Investoren und Business-Angels, die das Unternehmen in der Startphase und in den folgenden Finanzierungsrunden unterstützt haben. Potenzielle Geldgeber habe es immer mehrere gegeben, berichtet Kaminski.

Aber ihm und seinen Mitstreitern sei stets wichtig gewesen, Kapitalgeber zu finden, die neben dem finanziellen Engagement auch Kompetenz und Kontakte mitbringen, um refurbed voranzubringen. „Vor allem aber suchten wir Investoren, die unser Ziel mittragen, irgendwann zu möglichst vielen Produkten eine nachhaltige Variante anzubieten.“

Aktuell finden sich im Shop von refurbed neben Consumer-Electronic auch erneuerte Haushalts-, Küchen- und Gartengeräte sowie eine begrenzte Auswahl an Sportgeräten. Die Vision der Gründer ist ganz unbescheiden: „Wir möchten das grüne Amazon für nachhaltigen Konsum werden.“

refurbed weiter aufzubauen und dann möglichst rasch alle Anteile meistbietend zu veräußern – das kommt für Kaminski nicht infrage. „Wer schnell verkauft, glaubt nicht an seine Idee“, meint er. Vielmehr wünscht sich der Gründer, mit einem möglicherweise

irgendwann börsennotierten refurbed ein unternehmerisches Lebenswerkzu schaffen. „Es wäre schön, wenn ich später meinen Kindern sagen könnte, einen kleinen Beitrag zur Verbesserung des Klimas geleistet zu haben.“

Dieser Artikel ist zuerst in Character erschienen, dem Gesellschaftsmagazin der Bethmann Bank. Auf unserer Webseite finden Sie mehr Informationen zur aktuellen Ausgabe.

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