Intelligente Prothesen lernen vom Anwender
Das deutsche Unternehmen Ottobock hat eine Prothese entwickelt, mit der Anwender ihre künstliche Hand nahezu intuitiv steuern können. Die Technologie basiert auf Mustererkennung. Das hilft auch dem jungen Landwirt Wolfgang Bauer.
Vor sieben Jahren hatte Wolfgang Bauer einen Unfall auf dem elterlichen Bauernhof: Bei der Reinigung eines Grashäckslers geriet die rechte Hand des 20-jährigen in die Maschine. Knochen, Sehnen und Muskeln wurden dabei zerstört. In der Klinik amputierten die Ärzte den Unterarm des Bayern knapp unterhalb des Ellenbogens. Für den Landwirt war die erste Zeit nach dem Unfall nicht einfach. Dennoch glaubt er, Glück im Unglück gehabt zu haben: Schon nach fünf Wochen erhielt er eine Prothese.
Bauer ist mit seinem Schicksal nicht allein. Nach Schätzungen der amerikanischen Zeitschrift „Prosthetics and Orthotics International Journal“ lebten im Jahr 2017 weltweit mehr als 57 Millionen Menschen mit einer Gliedmaßenamputation. Zu den häufigsten Ursachen zählen Stürze, Verletzungen im Straßenverkehr und andere Transportverletzungen. Die meisten Amputationen werden in Ostasien und Südasien vorgenommen, gefolgt von Westeuropa, Nordafrika und dem Nahen Osten.
Doch nicht jeder, der einen Arm oder ein Bein verliert, kann auf eine Prothese hoffen. Nach Angaben der amerikanischen Non-Profit-Organisation „Limbs International“ haben nur fünf Prozent der ungefähr 30 bis 40 Millionen Patienten in den Entwicklungsländern Zugang zu Prothesen oder ähnlichen Hilfsmitteln. Dies, obwohl der Verlust eines Beins gerade in den Entwicklungsländern schwerwiegende Folgen hat – die Fähigkeit, sich selbstständig fortbewegen zu können, ist dort oft buchstäblich überlebenswichtig.
Bauer ist schon aufgrund seines Berufes auf eine Prothese angewiesen: Traktor fahren, Milchpumpen anschließen und Heu anliefern – alles Arbeiten, bei denen der Landwirt eine zweite Hand braucht. Seit einigen Jahren benutzt er eine intelligente Prothese des deutschen Herstellers Ottobock. „Keine Prothese war für mich einfach keine Option“, sagt Bauer. Bei allem Glück dauerte es jedoch, bis er sich an die neue Hilfe gewöhnt hatte. „Erst nach einigen Wochen versteht man so richtig, was mithilfe der Prothetik alles geht.“
Kein Wunder, schließlich sind Prothesen heutzutage High-Tech-Produkte. Die neueste Generation der Firma Ottobock etwa funktioniert mit einem intelligenten Prothesensteuerungskonzept, „Myo Plus" genannt. In der Vergangenheit mussten Prothesenträger zwischen einzelnen Funktionen der Prothese wechseln. So konnten sie beispielsweise durch das gezielte Anspannen zweier Muskelgruppen, sogenannter Ko-Kontraktionen, zwischen einzelnen Prothesenfunktionen umschalten oder manuell zwischen ihnen hin- und herwechseln. Die intelligente Prothese hingegen funktioniert über Mustererkennung und kann mithilfe von künstlicher Intelligenz intuitiv bedient werden.
Anknüpfungspunkt sind die Bewegungssignale, die vom Gehirn über die Nerven an den Unterarm gesendet werden. „Auch wenn jemand seinen Arm durch Amputation verloren hat, ist diese Funktion weiterhin im Gehirn angelegt“, sagt Martin Wehrle, Senior Produktmanager bei Ottobock. Genau hier setzt die Mustererkennung an: Mit acht in den Prothesenschaft integrierten Elektroden misst das Steuerungssystem eingehende Signale am Unterarm und ordnet diese bestimmten Handbewegungen oder Griffen zu. Greift der Nutzer zum Beispiel nach einer Tasse, erkennt die „Myo Plus“-Steuerung das Bewegungsmuster auf der Hauptoberfläche und „befiehlt" der Prothese, den entsprechenden Griff automatisch auszuführen. Der Vorteil an der neuen Technologie ist, dass sich der „Lernprozess“ gewissermaßen umgedreht hat, meint Dr. Thomas Fuchsberger, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Handchirurgie Südostbayern Kliniken: Nach einem Training und einer Grundinitialisierung kann der Anwender die Einstellung selbstständig mit Hilfe einer App begleiten und neue Trainingseinheiten hinzufügen „Die Prothese lernt also vom Anwender. In der Vergangenheit musste der Anwender lernen, wie eine Prothese funktioniert oder wie er sich der Funktionsweise der Prothese anpassen muss“, sagt Fuchsberger.
Ottobock arbeitet daran, die intelligente Prothesensteuerung auch für Menschen zu entwickeln, deren Arm oberhalb des Ellenbogens amputiert wurde. „Die Forschungsergebnisse und Fortschritte im Bereich der Produktentwicklung sind vielversprechend“, sagt Wehrle. Die Herausforderung bei Amputationen im Bereich des Oberarms besteht darin, dass dieser im Wesentlichen aus nur zwei Muskeln besteht: Trizeps und Bizeps. Wehrle ist überzeugt: „Die Musterkennung wird auch bei Menschen mit hohen Amputationen einen sehr großen Mehrwert darstellen.“
Wie eine Armprothese in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren funktionieren wird? Nach Einschätzung von Wehrle liegt das größte Potenzial darin, die Technologie noch intuitiver und effizienter zu steuern, beispielsweise im Bereich der simultanen Bewegungen – dem gleichzeitigen Drehen und Öffnen der Hand. Auch bei der Verbindung der Prothese mit dem Körper gibt es Innovationspotenziale: Während heute die Befestigung über den Schaft erfolgt, könnte die Zukunft in der Verbindung mit einem Metallstift am Knochen liegen – auch Osseointegration genannt. Eine weitere Idee ist es, die Technik in Richtung implantierbaren Elektroden weiterzuentwickeln. „Hierdurch könnte man die Signale noch näher am Muskel ableiten“, sagt Wehrle.
Wolfgang Bauer ist zufrieden mit seiner intelligenten Prothese. Für ihn war es auch wichtig, dass die Steuerung mit verschiedenen Prothesenhänden funktioniert. „Für leichte, aber vielfältige Arbeiten auf dem Hof nehme ich zum Beispiel eine spezielle Hand, mit der ich viele verschiedene Griffe optimal nutzen kann. Für schwere Arbeiten, bei denen ich zupacken muss, habe ich dann einen Elektrogreifer“, sagt Bauer. Was er sich für die Zukunft wünscht? Eine Prothese, die ihm auch den Tastsinn zurückgibt.
57.000.000+ Menschen
weltweit leben mit einer Gliedmaßenamputation aufgrund traumatischer Ursachen.
Quelle: „Prosthetics and Orthotics International Journal“; Stand: 2017
Quelle: LIMBS International
5 Prozent
der ungefähr 30 bis 40 Millionen Betroffenen aus Entwicklungsländern haben Zugang zu Prothesen oder anderen Hilfestellung.
Quelle: LIMBS International
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