Mehrwert statt Müll
Nach dem Event ist vor der Müllentsorgung. Jedenfalls bisher. Ein Unternehmen aus Leipzig will das ändern: Trash Galore sammelt wiederverwendbare Materialien von Großveranstaltungen ein und gibt sie an gemeinnützige Einrichtungen weiter.
Noch nicht einmal zwölf Prozent beträgt der Anteil recycelter Rohstoffe in neuen Produkten, so der aktuelle Statusbericht der deutschen Kreislaufwirtschaft. Damit liegt Deutschland knapp einen Prozentpunkt unter dem europäischen Durchschnitt. Doch wie kann das sein? Schließlich gelten die Deutschen doch als besonders penibel, wenn es um das Einsammeln von Altpapier, um das Sortieren von weißem und buntem Altglas oder um das Entsorgen des Komposts geht.
Ein Teil des Problems ist der Müll, der bei großen Veranstaltungen wie Messen, Konferenzen oder Festivals anfällt. Allein bei der Deutschen Messe in Hannover sind es jährlich mehr als 5.000 Tonnen. Der größte Teil landet beim Aufräumen in Mischcontainern – und anschließend in der Müllverbrennung. Nur wenige Veranstalter und Aussteller interessiert es, dass etwa für die Herstellung des Banners mit dem Firmenlogo kostbare Ressourcen eingesetzt wurden. Fabian Höffner hat genauer hingeschaut: „Ungefähr 20.000 Liter Wasser braucht man für einen Quadratmeter PVC.“ Ein hoher Preis für einen Eyecatcher, der nur wenige Tage zum Einsatz kommt und nach dem Event schnell entsorgt wird.
Weitergeben, nicht wegwerfen
Ein zu hoher Preis, fand Höffner und gründete 2019 zusammen mit zwei Freunden das Unternehmen Trash Galore. Die Leipziger sammeln seitdem wiederverwendbare Materialien nach Veranstaltungen ein und geben sie an soziale oder künstlerische Einrichtungen weiter. Zum Beispiel den PVC-Boden, der im März 2024 in der Audi-Zentrale in Ingolstadt auslag. Für gerade einmal einen Tag. 70 Quadratmeter Bodenbelag, der nun ein zweites Leben in der gemeinnützigen Einrichtung Köşk des Kreisjugendrings München-Stadt führt.
Im Herbst 2023 ist die Initiative in neue Räume umgezogen. Einpacken, renovieren, auspacken – alle Arbeiten erledigen Freiwillige nebenbei in ihrer Freizeit. Ein Kraftakt. Der Kunststoffbelag von Audi liegt nun dort. „Ohne Trash Galore hätten wir uns die Anschaffung gar nicht leisten können“, sagt Andrea Schönhofer vom Köşk-Team, das sich über die Spende freut.
Tatsächlich sind die Materialien für die Zweitverwerter kostenlos. „Unseren Einsatz bezahlen die Unternehmen, die uns beauftragen“, sagt Höffner. Material-Match nennt Trash Galore sein Geschäftsmodell. Das Team wartet aber nicht nur ab, bis wiederverwertbarer Abfall anfällt. Es hat inzwischen sein Geschäftsmodell ausgeweitet: Die Leipziger beraten Veranstaltungsagenturen oder Unternehmen bereits im Vorfeld geplanter Events zum Thema Nachhaltigkeit.
Muss tatsächlich der gesamte Boden einer Halle mit Teppichboden ausgelegt werden, um den Schall zu dämmen und für eine angenehme Atmosphäre zu sorgen? Wie viele Trennwände sind wirklich notwendig, um Mitarbeitenden und Besuchern ruhigere Nischen für Gespräche bieten zu können? Und wo kann ein Banner etwas kleiner ausfallen oder sogar weggelassen werden?
Neukaufen ist billiger
Viele Gegenstände, die zum Einsatz kommen, könnten die Firmen auch in den kommenden Jahren verwenden. Eigentlich – doch wie so oft geht die Rechnung nicht auf: „Für die Aussteller ist das Einlagern teurer als neues Material zu kaufen“, sagt Höffner. Hinzu komme, dass viele Unternehmen wollen, dass ihre Stände jedes Jahr anders aussehen.
„Wir erstellen für jede Veranstaltung, die wir begleiten, einen Reuse-Report, den die Unternehmen in ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung aufnehmen können“, sagt Höffner. Der Bericht gibt unter anderem Auskunft darüber, wie viel Abfall ein Unternehmen durch den Einsatz von Trash Galore vermieden hat und wie viel CO2 auf diesem Weg eingespart wurde. Im Laufe der Jahre konnte sein Team für 276 Tonnen Eventmaterial eine zweite Verwendung organisieren. Damit leistet es einen wichtigen Beitrag für Veranstalter, soziale Einrichtungen und die Umwelt.
Auf Wunsch der Auftraggeber prüft das Trash-Galore-Team im Rahmen eines Supplier-Checks auch die Nachhaltigkeit der Lieferanten. Mit seinem Partner 2bdifferent GmbH & Co. KG aus Speyer macht es Unternehmen sogar fit für die ISO-20121-Zertifizierung, eine der wenigen Standards für Nachhaltigkeitsmanagement in der Veranstaltungsbranche.
Zweitverwertung von Beginn an mitdenken
Bei der Planung der eintägigen Audi-Veranstaltung war Trash Galore ebenfalls frühzeitig mit an Bord und begleitete den kompletten Ausschreibungsprozess für das Automobil-Event: „Am Ende haben wir rund 12.500 Kilogramm Material retten können“, so Höffner. Lichtundurchlässiger Polyesterstoff, Kanthölzer, Podeste, Spanplatten, Molton und vieles mehr ging im Anschluss an vier verschiedene Initiativen, unter ihnen auch die Jugendeinrichtung Köşk.
„Der PVC-Boden wurde uns sogar frei Haus geliefert“, sagt Schönhofer mit Begeisterung. Rund 70 Quadratmeter – da kommen immerhin vier große, schwere Rollen zusammen. „Für viele Initiativen wie uns ist der Transport ein großes Problem, uns steht kein Auto oder Lieferwagen zur Verfügung“, sagt sie. Doch auch daran hat Trash Galore gedacht: „Wir übernehmen bei jeder Materialspende nicht nur die Abholung am Veranstaltungsort, sondern auch den Transport bis zur Haustür beim Empfänger“, erklärt Höffner.
Ohne die Spende von Trash Galore wäre der Boden der Dunkelkammer im Köşk kahl geblieben. „Mit einem anständigen Boden ist der ganze Raum direkt viel gemütlicher. Der PVC-Belag dämmt zusätzlich den Schall im Raum – das schafft eine gute Arbeitsatmosphäre“, sagt Andrea Schönhofer.
922 Tonnen
Abfall haben die Mitarbeitenden des Abfallwirtschaftsbetriebs München während des Oktoberfests 2024 entsorgt.
Quelle: Abfallwirtschaftsbetrieb München
15.000 Euro
kann ein kleiner, rund 30 Quadratmeter großer Messestand in einfacher Ausführung, den Unternehmen bei einem Messebauer in Auftrag geben, kosten.
Quelle: DDS GmbH Event und Messebau
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