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Mit dem Zeppelin nach Mallorca

Text von Maria Kessen
14.06.2023
Unternehmen

Fliegen wie vor 90 Jahren: mit dem Zeppelin. Zum Beispiel innerhalb Spaniens. Oder in die schottischen Highlands. Ein britisches Unternehmen macht´s möglich.

Ab 2026 soll es so weit sein: Zehn Luftschiffe heben unter dem Namen der spanischen Iberia-Tochter Air Nostrum ab. Die Airlander 10 des britischen Unternehmens Hybrid Air Vehicles Limited (HAV) sollen einen Teil der spanischen Inlandsrouten abdecken. Knapp 100 Fluggäste können bei jedem Flug in der Kabine Platz nehmen – mit gutem Gewissen, denn sie sind nahezu emissionsfrei unterwegs. Die mit Helium gefüllten Luftschiffe werden zwar von vier Motoren angetrieben. Sie stoßen nach HAV-Angaben aber bis zu 90 Prozent weniger CO2 aus als herkömmliche Passagierflugzeuge.

Militärkarriere scheiterte aus finanziellen Gründen

Fast 20 Jahre lang feilte HAV an seinen Zeppelin-Plänen: 2009 beauftragte die US-Armee das Unternehmen im südenglischen Bedford mit dem Bau eines Luftschiffs. Es sollte Lasten bis zu einem Gewicht von 80 Tonnen transportieren und dabei bis zu fünf Tage in der Luft bleiben können. Vor allem zur Überwachung, Zielerfassung und Aufklärung aus großer Höhe sollte das Fluggerät eingesetzt werden. Bei Bedarf sogar unbemannt, also ferngesteuert. Der Jungfernflug fand im Jahr 2012 in New Jersey statt. Doch dann kam die Wende: Die US-Armee stellte rund ein Jahr später das Projekt aus finanziellen Gründen ein und HAV musste den Zeppelin auf eigene Faust weiterentwickeln.

Das Ergebnis ist beachtlich: Der Airlander 10, der aufgrund seiner schwenkbaren Triebwerke eigentlich als Hybridflugzeug bezeichnet werden muss, ist mit seinen 92 Metern nicht nur das derzeit größte Fluggerät der Welt. Er kann bis zu 100 Personen transportieren, hat eine Nutzlast von bis zu zehn Tonnen und eine Reichweite von maximal 7.400 Kilometern. Zum Vergleich: Die Luftschiffe der Deutschen Zeppelin Reederei, die für einstündige Rundflüge oder wissenschaftliche Einsätze in der Luft sind, können gerade einmal 1.900 Kilogramm Ladung an Bord nehmen und lediglich 1.000 Kilometer weit fliegen. Maximal 13 Passagiere finden bei den Rundflügen an Bord Platz.

Fliegen mit reinem Gewissen

Der Airlander 10, der wegen seiner Form auch scherzhaft „fliegender Hintern" (flying bum) genannt wird, könnte künftig auch für eine bessere Klimabilanz der Luftfahrtbranche sorgen. So berichtet die britische Tageszeitung „The Guardian“, dass jeder HAV-Fluggast einen CO2-Fußabdruck in Höhe von 4,5 Kilogramm hinterlässt. Wer in einen herkömmlichen Passagierjet einsteigt, ist dagegen im Durchschnitt für einen Ausstoß von 53 Kilogramm CO2 verantwortlich. Carlos Bertomeu, geschäftsführender Präsident von Air Nostrum, ist jedenfalls vom Zeppelin-Einsatz überzeugt: „Der Airlander 10 wird die Emissionen unserer Flotte drastisch reduzieren“, sagt er. Nachhaltigkeit sei eben im täglichen Betrieb der kommerziellen Luftfahrt nicht mehr verhandelbar, so Bertomeu.

Tatsächlich scheint die Zeit für Zeppeline reif zu sein – knapp 90 Jahre nachdem die Transatlantikflüge mit der Zerstörung des Luftschiffs „Hindenburg“, bei dem 1937 35 Menschen starben, ein jähes Ende gefunden hatten. Viele Fluggesellschaften haben erkannt, dass sie im Kampf gegen den Klimawandel neue Wege gehen müssen. Doch während immer mehr E-Autos auf die Straße rollen, fehlt es im Luftverkehr bislang an umweltfreundlichen Alternativen. Trotz „erheblicher Verbesserungen der Energieeffizienz bleibt der Luftverkehr einer der energieintensivsten Verkehrsträger“, heißt es in einer Studie des Internationalen Transport Forums aus dem Jahr 2021. In jenem Jahr, so eine Studie der International Energy Agency, entfielen mehr als zwei Prozent der weltweiten energiebedingten CO2-Emissionen auf den Luftverkehr. Besonders schädlich ist der Einsatz von Flugzeugen auf Kurzstrecken: Nach Erkenntnissen der Umweltschutzorganisation Greenpeace sind Flüge mit einer Distanz von unter 1.500 Kilometern für ein Viertel der CO2-Emissionen aus dem EU-Flugverkehr verantwortlich.

Unterwegs über den schottischen Highlands

Deshalb stößt der Airlander 10 auch im Vereinten Königreich auf Interesse. Schon bald könnten die Luftschiffe zum Beispiel für das schottische Staatsunternehmen Highland and Islands Airports Limited (HIAL) auf öffentlichen Verkehrsrouten unterwegs sein – über den Highlands und schottischen Inseln versteht sich. Das Verkehrsnetz der HIAL versorgt einige der Regionen Schottlands und verbindet viele abgeschiedene Gemeinden miteinander. Gerade in so unwegsamen Gebieten wie den schottischen Highlands können Luftschiffe ihre Vorteile voll ausspielen: Sie benötigen keine lange Landebahn, noch nicht einmal einen Flughafen und kaum Bodenpersonal für Starts oder Landungen. Zudem verfolgt HIAL das Ziel, ein kohlenstofffreier Regionalflughafenkonzern zu werden. „Um dies zu erreichen, müssen wir nach innovativen Lösungen suchen,“ sagt Inglis Lyon, Direktor von HIAL. Der Einsatz des Airlander 10 scheint ein geeigneter Weg zu sein.

Unterdessen wird bei HAV in Bedford an der Weiterentwicklung des Zeppelins gearbeitet. „Noch in diesem Jahr beginnen wir mit der Produktion des Luftschiffes für unsere Kunden“, sagt Tom Grundy, CEO von HAV. Der nächste Meilenstein ist für 2030 anvisiert: Bis dahin soll der Antrieb vollelektrisch werden – und damit vollständig emissionsfrei.

75 Meter 
sind die beiden Zeppeline der Deutschen Zeppelin-Reederei lang. 
Quelle: Deutsche Zeppelin-Reederei

3,7 Prozent
wird der Luftverkehr in den nächsten 20 Jahren jährlich steigen.
Quelle: Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

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