Afrikas Energierevolution
Mehr als eine halbe Milliarde Menschen in der Subsahara-Region müssen ohne Strom auskommen. Für Manuel Seiffe ein unhaltbarer Zustand. Der Gründer des Schweizer Unternehmens MPower Ventures AG versorgt afrikanische Haushalte und Unternehmen nun schon seit mehreren Jahren mit Solarprodukten. Sein Geschäftsmodell kann den dortigen Zugang zu Energie revolutionieren.
Der Kariba-See an der Grenze zwischen Sambia und Simbabwe im südlichen Afrika ist der größte künstliche Stausee der Welt: Auf einer Länge von 270 Kilometern und einer Breite von 40 Kilometern wird hier seit den 1950er-Jahren der gewaltige Sambesi-Fluss aufgestaut. Eigentlich liefert das Wasserkraftwerk der Talsperre Strom für Millionen Menschen. Doch nachdem es monatelang nicht geregnet hat, befindet sich der Wasserspiegel auf einem Tiefststand. Die Folge: Das Kraftwerk produziert nicht mehr genug Energie. Es kommt zu Stromausfällen.
Die Blackouts können mehr als 20 Stunden andauern. Dann herrscht in Simbabwe Chaos: Ampeln funktionieren nicht mehr, die Mobilfunkdienste sind unterbrochen, die Menschen sitzen buchstäblich im Dunkeln. Fadzayi Mahere, simbabwische Rechtsanwältin und Sprecherin der politischen Partei „Citizens Coalition for Change“, bereitet die Entwicklung große Sorgen: „Der niedrige Wasserstand hat auch Auswirkungen auf den Gesundheitssektor Simbabwes“, berichtet sie in einem Gespräch mit dem südafrikanischen Nachrichtensender „Newsroom Afrika“. „Viele medizinische Geräte können nicht betrieben werden, sogar die Intensivstationen müssen ihre Arbeit herunterfahren.“
So wie in Simbabwe gilt in vielen Regionen Afrikas eine zuverlässige Stromversorgung noch immer als Luxus. Im Jahr 2021, so der Bericht „Africa Energy Outlook 2022" der Internationalen Energieagentur (IEA), hatten rund 590 Millionen Menschen keinen Zugang zu Strom – das entspricht 43 Prozent der afrikanischen Bevölkerung der Subsahara-Region. Weniger als die Hälfte der Afrikaner verfügt über eine verlässliche Stromversorgung aus einem nationalen Netz. Für Menschen, die auf dem Land leben, sieht es besonders schlecht aus: Sie haben nach Angaben des Afrobarometers nur halb so häufig Zugang zu einem Stromnetz wie Stadtbewohner (45 Prozent gegenüber 94 Prozent).
Manuel Seiffe gehört zu den Menschen, die an einer Lösung des Stromproblems arbeiten. Im Jahr 2014 kam er beruflich nach Ghana. Es war eine Reise, die sein Leben veränderte: „Viele Menschen in Ghana hatten mehrere Stunden am Tag keinen Strom“, sagt Seiffe und ergänzt: „Die Haushalte, die es sich leisten konnten, setzten Dieselgeneratoren, Batterien oder Kerosinlampen als Back-up-Lösungen ein – so ist es auch heute noch.“ Der 44-Jährige sieht auch die wirtschaftlichen Probleme, die die mangelnde Energieversorgung verursacht. Bis zu 18 Prozent der Wirtschaftsleistungen gehen in Afrika aufgrund von Stromausfällen verloren, so seine Berechnungen.
Bestätigung erhält Seiffe von Fatih Birol: Für den IEA-Exekutivdirektor ist der fehlende Zugang zu Energie „das größte Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas“. Dies wiederum führt in vielen Regionen dazu, dass sich Menschen auf die Suche nach einem besseren Leben machen und auswandern. Eine Studie des Afrobarometers aus dem Jahr 2019 kam zu dem Ergebnis, dass der Mangel an ökonomischen Perspektiven einer der Hauptgründe dafür ist, warum Afrikaner ihre Heimatländer verlassen.
Um die Subsahara-Region künftig zuverlässiger mit Strom zu versorgen, hat Seiffe Ende 2017 gemeinsam mit Greg Nau und Michael Eschmann die MPower Ventures AG gegründet. Das Unternehmen vertreibt Solarprodukte über lokale Partner und Distributoren an afrikanische Haushalte und Unternehmen, die so unabhängig vom öffentlichen Stromnetz werden. Inzwischen hat MPower ein breites Portfolio an Produkten im Sortiment, darunter Solar-Generatoren für Büros und Geschäfte, Solarpumpen und Flutlichter für Farmer und Solar-TVs für Privathaushalte. Um deren Wartungen oder um spätere Reparaturen kümmern sich ebenfalls die Vertriebspartner.
Daneben bietet MPower auch ein Finanzierungspaket an: Dabei geht das Unternehmen Kooperationen mit Banken, Mikrofinanzierungsanbietern und großen Unternehmen ein und finanziert einen Teil seiner Endkunden direkt. Die Kunden können die Solarprodukte, die überwiegend zwischen 120 und 1.400 Euro kosten, in monatlichen Raten von bis zu 36 Monaten abzahlen. Das Finanzierungsangebot ist Seiffe besonders wichtig: „Viele Afrikaner verfügen nur über ein geringes Einkommen und die Einstiegskosten sind für viele zu hoch“, weiß der Geschäftsführer und ist sich sicher: „In der Finanzierung liegt der Schlüssel, um das Potenzial von Solarenergie in Afrika frei zu entfalten.“
Seiffe ist davon überzeugt, dass Afrika bei der Stromversorgung vor einem großen Entwicklungssprung steht. Er vergleicht die Ausgangssituation gerne mit der des Telefons: „Vor 25 Jahren hatten die allermeisten Bewohner Afrikas keinen Telefonanschluss. Mit zunehmender Verbreitung des Mobiltelefons macht es aber nicht mehr wirklich Sinn, noch Telefonleitungen zu verlegen.“ Genau das passiere nun auch bei der Stromversorgung: „Menschen, die bisher gar keinen Zugang hatten, haben nun die Möglichkeit, mit einem eigenen Solarmodul auf dem Dach unabhängig zu werden“, sagt der Schweizer. Er ist überzeugt: „Wir stehen in Afrika vor einer dezentralen Energierevolution.“
Erste Erfolge auf dem Weg zur dezentralen Stromversorgung Afrikas kann Seiffes Team bereits verbuchen. Mittlerweile versorgen M-Power-Produkte rund 50.000 Menschen mit Strom aus Sonnenenergie. In sieben Ländern ist das Unternehmen aktuell vertreten. Ende 2023 expandierte es auch nach Ghana. „Der Markteintritt dort soll bis Ende 2023 abgeschlossen sein“, sagt Seiffe. Für ihn schließt sich damit ein Kreis, der mit einer simplen Geschäftsreise begann.
43 Prozent
der Afrikaner verfügt über eine funktionierende Elektrizitätsversorgung, welche die „meiste“ oder „alle“ Zeit funktioniert.
Quelle: Afrobarometer 2022
770 Millionen
Menschen in Afrika und Asien leben ohne Zugang zu elektrischem Strom.
Quelle: IEA, International Energy Agency
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