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Mit der Schaufel gegen die Wüste

Text von Maria Kessen
30.11.2022
Unternehmen

Wegen des Klimawandels veröden im Osten Afrikas große Landstriche. Mit einfachen Methoden will die Non-Profit-Organisation Justdiggit die Versteppung stoppen – und setzt dabei auf Hilfe zur Selbsthilfe.

Heißer Wind fegt über die trockene Ebene. Egal, wohin man sich wendet: Alles ist braun und sandig. Der Boden, die Felsen, die kleinen Sträucher, die Hütten – braun und sandig, so weit das Auge reicht. Schon seit einem halben Jahr hat es in Kenia und in den angrenzenden Staaten nicht mehr geregnet. Es ist die längste Trockenphase seit Jahrzehnten – im Osten Afrikas hat der Klimawandel schon längst sichtbare Spuren hinterlassen.

Die Dürre hat auch Konsequenzen für die Massai, einem Nomadenvolk, das im Süden Kenias und im Norden Tansanias beheimatet ist. „Als wir jung waren, mussten wir mit dem Vieh nicht weit gehen, um an Gras zu kommen“, sagt Peter Lemeeki, ein Kleinbauer aus der kenianischen Gemeinde Oyarata im Dokumentarfilm „Rainmaker II: Seeds of Change“. Doch mittlerweile sind ganze Landstriche, die den Ziegen und Rindern früher als Weideland dienten, völlig ausgetrocknet. Dass Weideland immer rarer wird, hat einige der Massai-Stämme zu einem drastischen Schritt veranlasst: Statt von Grün zu Grün zu ziehen, haben sie sich zu sesshaften Dorfgemeinschaften zusammengetan. Das Vieh grast nun auf den umliegenden Flächen, solange diese noch Futter bieten.

Der Versteppung von ehemals fruchtbaren Landschaften ein Ende zu setzen, genau hier setzt die Arbeit von Justdiggit an. Die niederländische Non-Profit-Organisation unterstützt lokale Wiederbegrünungsprojekte vor allem in Tansania und Kenia, aber auch in Uganda und Äthiopien. Damit bieten die Initiatoren den Bewohnern der Landstriche einen Ausweg aus einem Teufelskreis, denn die Trockenheit und Überweidung der Flächen hat langfristige Folgen: Wenn es nach monatelanger Trockenheit endlich wieder in ausreichender Menge regnet, kann das Wasser auf der harten Bodenoberfläche nicht mehr versickern. Stattdessen führen die Regengüsse zu starken Landerosionen. Nicht selten werden 20 bis 30 Zentimeter der Vegetationsdecke weggespült. Doch wo keine Wurzeln mehr im Erdreich sind, kann kein Gras mehr nachwachsen. Das Ergebnis nennen Fachleute Bodendegradation: Der Verlust der reproduktiven Fähigkeiten des Erdreichs, der dazu führt, dass sich einst fruchtbare Landstriche zunehmend in Wüsten verwandeln.

Bei der Wiederbegrünung folgt Justdiggit einfachen physikalischen Regeln der Wasserversickerung. Alles, was man dafür braucht, ist eine Schaufel. Durch das Graben von halbkreisförmigen Becken, den Bunds, wird zunächst die harte obere Erdschicht aufgebrochen. Fällt Regen, sammelt sich das Wasser in den Vertiefungen und hat genügend Zeit, langsam ins Erdreich einzudringen. Samen, die sich noch in der Erde befinden, schlagen wieder aus und begrünen innerhalb kurzer Zeit große Flächen wieder.

Bei einer zweiten Methode setzt Justdiggit auf natürliche Regeneration, im englischen „Farmer Managed Natural Regeneration“ und in der Landessprache „Kisiki Hai“ genannt. Bei dieser Methode geht es darum, abgeholzte Baumstümpfe so zu trimmen, dass sie erneut heranwachsen. Hierfür suchen die Farmer an jedem Stumpf die fünf stärksten Triebe aus, schneiden die anderen ab und binden die verbliebenen Äste hoch. Farbige Bänder halten Tiere davon ab, die Triebe zu fressen. In regelmäßigen Abständen kontrollieren Bauern die kleinen Bäume und dünnen sie erneut aus, bis sie zu großen Bäumen herangewachsen sind, die Schatten spenden, mit ihrem Laub den Boden düngen und Feuchtigkeit halten können.

Dort, wo Justdiggit diese Maßnahmen bereits umgesetzt hat, zeigen sich positive Auswirkungen auf das lokale Klima: Die regionale Niederschlagsmenge steigt und sorgt für mehr Vegetation – eine positive Rückkopplungsschleife entsteht, der Teufelskreis ist durchbrochen. Nach Angaben von Justdiggit belegen jüngste Studien, dass durch naturbasierte Wiederbegrünung bis zu 37 Prozent der Menge an Kohlenstoffemissionen eingespart werden könnten, die erforderlich sei, um die globale Erwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten.

Von Anfang an hat Justdiggit, das im Jahr 2009 vom Niederländer Dennis Karpes und dem mittlerweile verstorbenen Paul Westerveld aus Tansania gegründet wurde, bei der Umsetzung seiner Wiederbegrünungsprojekte auf das Engagement der lokalen Kleinbauern gesetzt. „Regreening is done together“, lautet das Motto. Zu diesem Zweck arbeitet die Non-Profit-Organisation mit Gemeinden in Tansania und Kenia zusammen. Im Umkreis der tansanischen Hauptstadt Dodoma sind es bereits mehr als 300 Dörfer. Um die Menschen vor Ort zu erreichen, hat Van Eeden, Global Communication and Marketing Director bei Justdiggit, mit seinem Team eine ausgefeilte Kommunikationsstrategie entwickelt. Über Werbekampagnen, Smartphone-Apps und Movie-Roadshows werben sie in der afrikanischen Bevölkerung für die Projekte.

Bei der praktischen Umsetzung arbeitet Justdiggit mit lokalen Initiativen zusammen, sogenannten Grassroot-Organisationen. „Deren Mitarbeiter sind Teil der Community und kennen die Kultur und die Menschen genau“, sagt van Eeden. Die Kommunikationskampagnen laufen immer in mehreren Phasen ab: Zunächst lädt eine Grassroot-Organisation, zum Beispiel die Lead Foundation aus Dodoma, jeweils vier bis fünf Bauern aus verschiedenen Orten in ihre Zentrale ein. Diese Champion-Farmer nehmen eine Woche lang an einem Training teil, bei dem sowohl Führungskompetenzen als auch die Technik der Wiederbegrünung auf dem Programm stehen. Anschließend kehren die Bauern in ihre Gemeinden zurück, um Nachbarn von den Bunds und vom Kisiki Hai zu erzählen. Abends, wenn die Sonne untergeht, präsentieren sie den Dorfbewohnern zudem einen Film, in dem die Vorteile der Methoden erklärt werden. Van Eeden schätzt, dass ungefähr die Hälfte der Bauern nach dem Film die Wiederbegrünungsmaßnahmen umsetzen.

Die Mission von Justdiggit trägt reichlich Früchte: Bis Ende 2021 haben Farmer im Rahmen der Initiative nach eigenen Angaben bereits mehr als 320.000 Hektar Land begrünt und fast zehn Millionen Baumstümpfe wiederbelebt. Zum Erfolg tragen auch die Massai wesentlich bei: Erkennt eine Bauerngemeinschaft die positiven Auswirkungen ihrer Arbeit, geben sie ihr Wissen an die Nachbargemeinschaft weiter. „Wir sind froh, dass wir über die Methode der Regenwasserernte wissen“, sagt Saiboku Clamiani, ein Kleinbauer aus Meserani Juu in Tansania, in einem Dokumentarfilm von Justdiggit. „Zu sehen, wie hier wieder Pflanzen wachsen, gibt uns Hoffnung.“

12 Quadratmeter 
hat ein Bunds.
Quelle: Justdiggit

1,1 Grad
über dem vorindustriellen Niveau lag die globale Durchschnittstemperatur im Jahr 2021.
Quelle: Weltorganisation für Meteorologie (WMO)

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