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Heimvorteil für Quinoa

Text von Maria Kessen
06.07.2022
Unternehmen

Quinoa, das eiweißreiche Superkorn aus der Andenregion Südamerikas, erlebt seit Jahren einen Boom in Deutschland. Nun gibt es Quinoa auch aus der Stadt mit K: Kinoa ist damit nicht nur gesund für den Einzelnen, sondern schont auch die Umwelt.

Stommeln, ein Dorf 25 Kilometer nordwestlich von Köln, ist bekannt für seine Windmühle, für eine alte Synagoge und für Zuckerrübenfelder. Johannes Decker ist hier auf dem elterlichen Bauernhof aufgewachsen. Seit Jahrzehnten erntet seine Familie auf 250 Hektar Produkte, die vor allem an Großabnehmer gehen: Zuckerrüben und Kartoffeln, Raps, Getreide und Ackerbohnen.

Vor ein paar Jahren beschloss Johannes gemeinsam mit seinem Bruder Thomas und Schwägerin Verena, etwas Neues zu wagen: Die Deckers wollten sich – zusätzlich zum klassischen Anbau – stärker als regionale Erzeuger positionieren. „Bis dahin waren wir ein Betrieb, der stark im Hintergrund agierte“, sagt Johannes Decker. Die Vision der Brüder: Mit nachhaltig angebauten Lebensmitteln die CO2-Emissionen reduzieren und eine gesunde Ernährung fördern. Der studierte Agrarwissenschaftler machte sich auf die Suche nach einer geeigneten Anbaufrucht. „Wir wollten etwas anbauen, das ansonsten um die halbe Welt reist“, sagt er.

Bei seiner Suche stieß Decker auf Quinoa, ein Powerkorn, das seit Jahrtausenden in der Andenregion Südamerikas wächst. Auf seiner Reise nach Deutschland legt es nach Berechnungen von Decker 11.843 Kilometer zurück, ein Großteil davon per Schiff und Lkw – entsprechend groß fällt der CO2-Fußabdruck der Pflanze aus. Hinzu kommt, dass zum Beispiel die Bauern in Bolivien aufgrund der hohen Nachfrage und der steigenden Preise immer größere Anbauflächen für Quinoa nutzen. Die dadurch entstehenden Monokulturen sind inzwischen eine Gefahr für das Ökosystem. Eine ähnlich schlechte CO2-Bilanz weist beispielsweise auch die Avocado auf: Nach Recherchen des Südwestrundfunks legen die Früchte aus Peru, Chile und Mexiko rund 10.000 Kilometer zurück, bis sie im heimischen Supermarkt landen. Gleichzeitig hat sich der Import nach Deutschland laut Statistischem Bundesamt seit 2008 verfünffacht – von 19.000 auf 91.000 Tonnen. Und auch bei dieser Frucht bringt die große Nachfrage immense Umweltprobleme in den Anbauregionen bringt sich.

Anders als die Avocado war Quinoa hierzulande bis vor wenigen Jahren noch weitgehend unbekannt. Inzwischen entwickelte sich ein regelrechter Hype um das kleine Korn. Nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung werden derzeit rund 7.000 Tonnen Quinoa in Deutschland vermarktet. Der größte Teil davon stammt aus Bolivien, Peru und Ecuador. Aufgrund ihrer Eigenschaften gehört Quinoa zu den sogenannten Superfoods: Die Pflanze ist eiweiß- und vitaminreich sowie glutenfrei und kann bei Getreideunverträglichkeiten den Speiseplan erweitern. Dabei ist Quinoa keine Getreideart, sondern zählt zu den Gänsefußgewächsen – und damit zur Pflanzenfamilie der Roten Bete und des Spinats.

Um in den direkten Austausch mit den Händlern treten zu können, gründeten die Deckers im Jahr 2019 die Feldhelden Rheinland UG. Johannes Decker telefonierte die Händler in der Region ab und stellte ihnen das neue Produkt vor: Kinoa, mit „K“, weil das Getreide – in Anlehnung an ein beliebtes Karnevalslied – nun in der Nähe der „Stadt mit K“ angebaut wird. Mit Erfolg: Mittlerweile stehen die 300-Gramm-Beutel in Rewe-Filialen rund um Köln und sind auch in einigen Hofläden und Unverpackt-Läden zu finden. Zum Beispiel bei Ivana Louis, Mitinhaberin der „Veedelskrämer“ in Köln-Ehrenfeld. Sie verkauft das Korn schon seit vielen Jahren. Früher lautete das Ursprungsland Peru – heute ist es das 25-Kilometer-entfernte Stommeln. „Die Lieferkette hat sich für uns enorm verkürzt“, sagt Louis.

Doch das Power-Korn birgt auch Herausforderungen: „Am Anfang war es gar nicht so einfach, überhaupt an Saatgut heranzukommen", sagt Decker. Im Jahr 2021 gab es zudem mehrere Regenperioden, die dem Korn zu schaffen machten. Der Anbau ist für die Deckers auch deshalb schwierig, weil sie als Pioniere nicht auf den Erfahrungsschatz anderer Bauern zurückgreifen können. Und auch in der Direktvermarktung lief nicht immer alles glatt: Pandemiebedingt bestellte die Gastronomie viel weniger Kinoa als erwartet.

Insgesamt aber ist Johannes Decker zufrieden. Die Ausdauer hat sich gelohnt: Mittlerweile wächst das Korn in Stommeln auf sieben Hektar. Im August ist Erntezeit, dann blühen die hohen Pflanzen gold-gelb auf dem Feld. „Wenn sich die Quinoa im Wind hin- und herbewegen, hat das etwas Meditatives“, sagt er.

11.843 Kilometer
reist Quinoa vom Anbaugebiet Bolivien nach Köln.
Quelle: Feldhelden Rheinland

2.300 Tonnen
Quinoa wurden im Jahr 2018 aus Bolivien nach Deutschland importiert.
Quelle: Statistisches Bundesamt

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