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Feines Näschen für Luxus

Text von Florian Kinast
07.06.2024
Unternehmen

Seit 130 Jahren steht die Parfümerie Brückner im Münchner Rathaus für außergewöhnliche Duftwässer. In dem Traditionsunternehmen zählten einst bayerische Monarchen zur Stammkundschaft. Heute sucht hier eine exklusive Kundschaft nach erlesenen Aromen – und mancher junge Mann nach dem todsicheren Ladykiller.

Vielleicht diese Komposition aus Amber und Moschus, mit der Kopfnote aus Zitrus und Lavendel? Oder doch die eher holzige und würzige Variante, orientalisch geprägt, mit einem Hauch von Koriander und Kardamom? Der junge Mann, so Mitte 20, ringt noch mit seiner Entscheidung. Seit Minuten schon ist er ins Gespräch mit der Beraterin vertieft, immer wieder hält er sich die aus unterschiedlichen Flakons besprühten Teststreifen vor die Nase – bevor er am Ende doch zur Variante mit dem kraftvollen Karamellaroma und der Prise Vanille tendiert, natürlich auf Patschulibasis. Eher etwas sinnlich Maskulines also. Unterdessen berät eine Mitarbeiterin am Regal daneben ein amerikanisches Touristenpärchen („This flavor smells clean and fresh“), weiter hinten in dem schmalen Korridor fragt eine Kundin („Für den Geburtstag meiner Mutter“) nach einem Geschenketipp.

Es herrscht an diesem Nachmittag dichtes Gedränge in dem kleinen Verkaufsraum der Parfümerie Brückner, mit einem lauten Gewirr aus vielen Stimmen – und natürlich mit einem faszinierenden Gemisch aus noch mehr Düften. Wo München ganz erlesen riecht, edel und exklusiv wie vielleicht nirgendwo sonst in der Stadt. Wo der Durchschnitt längst verduftet ist. Wo die Luft den Luxus atmet. 

„Wem nach Mainstream ist“, sagt Tanja Bublitz beim Gespräch in ihrem Büro, direkt über ihrem Laden im ersten Stock, „der kauft woanders.“

Bessere Citylage geht nicht

Tanja Bublitz ist Geschäftsführerin des Traditionsunternehmens, beheimatet in der Weinstraße auf der Westseite des Münchner Rathauses. Bessere Citylage geht nicht. Ein Familienunternehmen, das sich noch nie damit begnügte, den Dunst des Gewöhnlichen zu verströmen. Auch Magnus Brückner hatte einen hohen Anspruch an sich und seine Produkte, als er 1893 den Familienbetrieb gründete, mit viel Leidenschaft und vielen Visionen. Der Betrieb glich anfangs mehr einem Start-up, von dem man nicht wusste, ob es sich wirklich behaupten könnte. Oder ob es eher bei viel Dampf um nichts bleiben würde.

Doch Brückner hatte ein gutes Näschen – als weitgereister Kosmopolit und galanter Charmeur, in jeder Hinsicht ein Mann von Welt, der von seinen wochenlangen Auslandsaufenthalten nicht nur unterhaltsame Geschichten für die besseren Münchner Gesellschaftskreise mitbrachte, sondern auch bis dahin unbekannte exotische Düfte für ganz neue Sinneserfahrungen. Brückner galt um die Wende zum 20. Jahrhundert als einer der gefeierten Societystars des damaligen Jetsets, der sich damals anschickte, das südliche Oberbayern als Naherholungsziel für sich zu entdecken – und der dank Brückner nun den Duft der großen weiten Welt verspürte. 

Das Hineinschnuppern, um am Ende die Nase vorn zu haben, das ist eine der Kernkompetenzen von Tanja Bublitz.

Als prominentesten Stammkunden freilich begrüßten Magnus und seine Frau Philippine in jener Zeit Prinzregent Luitpold, den Onkel von Märchenkönig Ludwig II., nach dem Tod seines Neffen von 1886 bis 1912 Bayerns Obermonarch. In ihrem Laden im Rosental deckte sich Luitpold mit feinem Duftwasser, teurem Puder und eleganten Lotionen ein. 

„Königlich bayerischer Hoflieferant“ – was sonst?

Und weil sich die Brückners so hingebungsvoll um die Skin- und Bodycare des Prinzregenten kümmerten, wurde ihnen zum Dank ein würdevoller Titel verliehen: „Königlich bayerischer Hoflieferant“, zu sehen ist das noch heute am Wittelsbacher-Wappen über dem Eingang des Geschäfts, das das Gründerpaar nach dem Bau des Neuen Rathauses 1909 beziehen durfte. Und genau hier residiert das Unternehmen noch heute, weit mehr als 100 Jahre später.

Anfang der 1950er-Jahre stieg Margarete Bublitz als neue Geschäftsführerin ein – eine gelernte Friseurin, die sich ihr umfassendes Wissen rein autodidaktisch aneignete und die man aufgrund ihrer Expertise und ihrer Vernetzung mit der hiesigen Hautevolee bald die „Grande Dame der Kosmetik“ nannte. Eine enge Freundin der US-amerikanischen Kosmetikikone Estée Lauder, dazu eine extravagante Gesellschaftslady, die wegen ihrer schrillen Outfits auffiel, mit grellen Kleidern und riesigen Hüten – aber auch wegen ihrer legendären Kondition bei Festen und Bällen. „Meist kam meine Oma als Erste und ging als Letzte“, sagt Tanja Bublitz, „am nächsten Tag stand sie wieder topfit im Laden.“

Dass sie selbst nach ihrer Großmutter und ihrem Vater Horst den Betrieb übernehmen würde, das war gar nicht sicher. Ballerina zu werden oder auch Tierärztin, sagt Tanja Bublitz, das hätte sie sich als Kind sehr gut vorstellen können. Aber natürlich war sie als Mädchen immer fasziniert, wenn sie nach der Schule in den Laden kam, wenn sie die großen Cremetöpfe sah und sensorisch die Düfte und Aromen wahrnahm, die durch den Raum flimmerten – weshalb sie seit 1990 nun doch in dritter Generation die Familiendynastie fortführt.

Hinschmeißen? Kommt nicht infrage!

Bald dreieinhalb Jahrzehnte sind es nun, in denen sie auch schwierige Zeiten durchlebte, wie sie sagt, vor allem weil große Handelsketten die Parfüms als Billigware auf den Markt warfen. „In dieser Phase waren wir nur noch ein Auskunftsbüro“, erzählt sie, „die Leute kamen rein und wollten wissen, was das Parfüm bei uns kostet. Dann gingen sie wieder, woanders gab es das gleiche Produkt ja deutlich billiger.“ Eine Option wäre gewesen, hinzuschmeißen, aber weil man in der Familie noch nie gern einfach so aufgegeben hatte, kämpfte auch Tanja Bublitz weiter – und begann, sich auf ein ganz exklusives Angebot zu spezialisieren. Trotz vehementer Warnungen ihres Vaters („Du treibst uns ja noch in den Ruin“) entrümpelte sie das Sortiment, trennte sich von großen internationalen Unternehmen, den Global Perfume-Players, um stattdessen immer mehr kleinere und teilweise völlig unbekannte Marken ins Programm aufzunehmen. Düfte, die sonst keiner hat. 

Dafür reist sie auch heute noch immer wieder ins Ausland, um auf internationalen Fachmessen wie der „Esxence“ in Mailand neue Produkte zu testen, um zu riechen, was passen und ankommen könnte bei den Kunden. Und was nicht. Das Hineinschnuppern, um am Ende die Nase vorn zu haben, das ist eine der Kernkompetenzen von Tanja Bublitz.

Bei all dem Erfolg und all den wachsenden Geschäftszahlen, an einen Auszug oder eine Erweiterung hat Tanja Bublitz noch nie gedacht.

Auf der Messe entdeckte sie übrigens eher zufällig in einem Magazin auch den Namen ihrer Parfümerie – als eine der vier besten Adressen in ganz Deutschland für hochwertige und natürlich auch hochpreisige Nischenparfüms. Denn das Standardrepertoire des Duftwassers für 39,90 Euro sucht man hier vergeblich, im Hause Brückner gehts ins Dreistellige und darüber hinaus. Dass es die kaufkräftige Klientel dafür gibt, das zeigen gut frequentierte Nachmittage im Geschäft, vor allem aber die umsatzstarken Samstage, an denen die Kundschaft draußen in der Fußgängerzone beim Warten auf den Einlass ansteht und sich dabei untereinander über eigene Erfahrungen mit Marken und Düften austauscht. Kennen Sie das schon? Müssen Sie unbedingt probieren! Und wie lange kommen Sie schon hierher?

Die Dame mit dem richtigen Duft betören

„Viele Stammkunden kommen tatsächlich seit Jahrzehnten“, sagt Tanja Bublitz und erzählt noch von einer ganz neuen Zielgruppe, die in den vergangenen Monaten auch dank Influencern und Bloggern in den sozialen Netzwerken explosionsartig zugenommen habe: junge Männer, die auf der Suche sind nach dem speziellen, vermeintlich todsicheren Ladykiller-Duft, Oberbegriff für bestimmte Parfümsorten, mit denen Mann – zumindest laut Ankündigung – jede Frau für sich gewinnt. Obs wirklich funktioniert? Immerhin, Reklamationen aufgrund chronischer Erfolglosigkeit gabs in ihrem Geschäft bislang noch nicht.

Bei all dem Erfolg und all den wachsenden Geschäftszahlen, an einen Auszug oder eine Erweiterung hat Tanja Bublitz noch nie gedacht. Das Geschäft im Rathausbau habe genau die richtige Größe, bei einer Expansion bräuchte sie außerdem mehr Personal. „Das Niveau auch bei der Beratung halten zu können und mehr als meine derzeitigen 17 Mitarbeitenden mit einer hochqualifizierten Ausbildung zu finden, das wäre sehr schwer“, sagt sie, als ihre Assistentin das Büro betritt mit dem Hinweis, dass in wenigen Minuten der nächste Besuch anstünde. Es ist die Vertreterin eines Parfümunternehmens, die sich mit einer neuen Palette an Düften angekündigt hat. Tanja Bublitz wird gleich ausprobieren, was vielleicht reinpassen könnte ins Sortiment. 

Es ist mal wieder Zeit für den richtigen Riecher.

Dieser Artikel ist zuerst in Character erschienen, dem Gesellschaftsmagazin der Bethmann Bank. Weitere Informationen zur aktuelen Ausgabe finden Sie auf unserer Webseite.

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