Autobatterie – Recycling statt Deponie
Elektroautos brauchen Batterien, Batterien brauchen Rohstoffe. Doch Europa verfügt nur begrenzt über eigene Ressourcen. Das junge Aachener Unternehmen Cylib will Lithium, Graphit, Nickel, Kobalt und Mangan möglichst effizient und umweltfreundlich aus Altbatterien und Produktionsabfällen zurückgewinnen.
Die Zahl der Elektroautos in Europa nimmt stetig zu: Von Januar bis Oktober 2025 meldete der europäische Automobilherstellerverband ACEA 1.473.447 neu zugelassene E-Pkws. Damit stieg der Marktanteil im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 13,2 Prozent auf 16,4 Prozent. Doch so emissionsarm eine Lithium-Ionen-Batterie im Betrieb auch arbeitet: Ihre Bestandteile, die zur Herstellung notwendig sind, belasten Umwelt und Klima stark. Lithium, Kobalt, Aluminium und Co. abzubauen, nach Europa zu transportieren und aufzubereiten verbraucht viel Energie und Wasser. Jede Batterie hinterlässt daher zunächst einen deutlichen ökologischen Fußabdruck, bevor sie ihn im Betrieb wieder ausgleicht. Wirklich nachhaltig wird sie jedoch erst durch effizientes Recycling, findet das Aachener Start-up Cylib und verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz.
E-Batterie-Recycling: von der Uni in die Industrie
Das Cylib-Team gewinnt alle Elemente einer Lithium-Ionen-Batterie zurück und möchte dabei den CO₂-Fußabdruck möglichst geringhalten. Das Ausgangsmaterial für seine Geschäftsidee wird dem jungen Unternehmen in den kommenden Jahrzehnten nicht ausgehen: Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI rechnet für das Jahr 2030 mit 420.000 Tonnen zu recycelnder Lithium-Ionen-Batterien in Europa, für das Jahr 2040 sogar mit 2,1 Millionen Tonnen.
Gegründet wurde Cylib 2022 von Lilian Schwich, Paul Sabarny und Gideon Schwich. Jahrelang forschten Lilian Schwich und Paul Sabarny am Institut für Metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling (IME) an der RWTH Aachen, um E-Auto-Batterien wieder in ihre Bestandteile zu zerlegen. Dabei wenden sie ein patentiertes Verfahren an, zu dem sie kaum Details preisgeben. Wichtig ist am Ende nur: Es funktioniert.
Davon sind auch solvente Investoren überzeugt. Allein in seiner ersten Seed-Finanzierungsrunde im Februar 2023 erhielt das Spin-off 11,6 Millionen Euro ein. Im September 2023 nahm Cylib eine erste Pilotanlage in Aachen in Betrieb. „Die größte Herausforderung bestand darin, den an der Uni entwickelten Prozess für die Industrie weiterzuentwickeln“, berichtet Lilian Schwich. „Wir mussten beweisen, dass unser Verfahren nicht nur im kleinen Maßstab, sondern auch im industriellen Betrieb funktioniert.“
Zu den Investoren, die von Anfang an auf das Team setzten, gehört der Climate-Tech-Investor World Fund. Danijel Višević, Geschäftsführer der Berliner Gesellschaft, betont: „Dieses Unternehmen hat ein marktführendes, hocheffizientes Batterierecyclingverfahren entwickelt, das echte Klimagewinne bietet.“
Recycling: aus Schwarzmasse wird Batteriematerial
Cylib verarbeitet nicht nur ausgediente Akkus, sondern auch Produktionsabfälle aus Batteriefabriken. Zunächst entlädt das Team die Batterien vollständig und zerlegt sie. Dann werden die Komponenten erhitzt und geschreddert. Dadurch entsteht Schwarzmasse – ein dunkles, pulverförmiges Gemisch, das den Ausgangsstoff für die eigentliche Wertstoffgewinnung bildet. Aus dieser Masse löst Cylib in verschiedenen, auf Wasser basierenden Verfahren die begehrten Materialien Lithium, Graphit, Kobalt, Mangan und Nickel heraus.
Bei Kobalt, Nickel und Mangan spart das Unternehmen nach eigenen Angaben chemische Hilfsstoffe ein, Lithium und Graphit gewinnt es mit dem patentierten, wasserbasierten OLiC (Optimized Lithium and Graphite Recovery)-Verfahren zurück, das Lilian Schwich und Paul Sabarny an der RWTH entwickelten. Drei Punkte machen die Cylib-Technologie laut Schwich so besonders: „Erstens nutzen wir deutlich weniger Chemikalien als konventionelle Verfahren. Zweitens gewinnen wir mehr als 90 Prozent aller wertvollen Rohstoffe zurück – inklusive Lithium, das bei vielen Verfahren verloren geht. Und drittens liegt unser CO2-Fußabdruck zu 80 Prozent unter dem der Primärrohstoffgewinnung.“
Entscheidend sei zudem, dass die gewonnenen Materialien preislich mit neu abgebauten Materialien konkurrieren können. Schließlich ist es am Ende das erklärte Ziel, dass aus den zurückgewonnenen Rohstoffen neue Batterien produziert werden. Lithium, Graphit, Kobalt, Mangan und Nickel gehen deshalb an Zellproduzenten und Anbieter von Batteriematerialien zurück, Aluminium und Stahl aus den Gehäusen an Metallrecycler. „Null Deponie – alles wird verwertet“, fasst Schwich zusammen.
Nächster Schritt: Recycling im Chempark Dormagen
Im Mai 2024 schloss Cylib eine weitere Finanzierungsrunde ab: Die Aachener sammelten 55 Millionen Euro ein, um die Industrialisierung der firmeneigenen Technologie weiter voranzutreiben. Zu den Investoren zählen unter anderem World Fund, aber auch Porsche Ventures, Bosch Ventures und NRW.Venture.
Mit dem Geld möchte das Start-up nichts Geringeres als „die führende Recycling-Plattform in Europa“ aufbauen, so Schwich. Den ersten Schritt machte das Team Anfang September 2024 mit dem Spatenstich für eine rund 2,2 Hektar große Industrieanlage im Chempark Dormagen. Ab 2027 soll die Anlage schrittweise den Betrieb aufnehmen und in der ersten Ausbaustufe rund 10.000 Tonnen Schwarzmasse pro Jahr verarbeiten können – das entspricht rund 30.000 Tonnen Altbatterien. Bis zum Jahr 2029 will Cylib, das mittlerweile mehr als 120 Mitarbeitende beschäftigt, die Kapazität der Anlage auf 140.000 Altbatterien hochschrauben. Die Investoren sind von der Geschwindigkeit beeindruckt, zum Beispiel Patrick Huke, Partner und Leiter von Porsche Ventures: „Cylib ist ein perfektes Beispiel dafür, wie führende wissenschaftliche Forschung in rasantem Tempo kommerzialisiert werden kann.“
Recycling bringt mehr Rohstoffsicherheit für Europa
Das enorme Tempo kommt nicht von ungefähr: Unterbrochene Lieferketten und hohe Zölle zeigen, warum Europa seine Recycling-Infrastruktur stärken muss. Schwich sagt: „Ohne eine funktionierende Kreislaufwirtschaft gibt es keine Rohstoffsicherheit in Europa – und ohne Rohstoffe keine Batterieproduktion.“ Cylib will Europa unabhängiger von Importen machen und Deutschland als Industriestandort stärken. „Recycling ist der einzige Weg, strategische Rohstoffe in Europa zu sichern und die Lieferketten zu stabilisieren“, betont sie. Die Anlage in Dormagen soll dazu den Grundstein legen.
350.000 Tonnen
Schwarzmasse pro Jahr kann Europa voraussichtlich ab 2030 aufbereiten.
Quelle: Fraunhofer ISI
160 Gramm
Lithium wird schätzungsweise für eine Kilowattstunde-Batteriekapazität benötigt.
Quelle: International Renewable Energy Agency
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