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Faber-Castell - Die Bleistiftdynastie

Text von Pascal Morché
29.09.2022
Unternehmen

Jeder und jede hatte schon einen in der Hand: einen Bleistift von Faber-Castell.
Er entstammt einem der ältesten Familienunternehmen der Welt.

Der Schäfer irrte sich. Unter einer entwurzelten Eiche im Norden Englands entdeckte er 1565 Graphit, hielt dieses jedoch für Blei und markierte damit seine Tiere. Damit die Finger nicht schwarz wurden, fasste man bald das vermeintliche Blei in ausgefräste Holzstöckchen – und die „Bleysteffte“, in denen bis heute nie Blei war, hatten ihren Namen weg. Später identifiziert man dieses dunkle „Bleyweiß“ als Kohlenstoff und benennt es nach dem griechischen Wort für Schreiben: „Graphit“. Doch der Name Graphitstift setzt sich nicht durch – obwohl Blei bis heute verkaufstechnisch ein Killer ist: umweltschädlich, toxisch, tödlich.

Hätte sich jemals ein Mensch an dem giftigen Wort „Bleistift“ gestört, das Unternehmen Faber-Castell in Stein bei Nürnberg hätte in den mehr als 260 Jahren seines Bestehens sofort gegengesteuert. Denn auf das Image ihrer Stifte wurde stets ebenso viel Wert gelegt wie auf deren Qualität selbst. Es wundert deshalb nicht, dass Umweltbewusstsein, Schonung der Ressourcen und soziale Verantwortung für Faber-Castell immer zentrales Thema waren. Das gilt am Stammsitz in Stein, wo täglich 500.000 Blei- und Buntstifte produziert werden, ebenso wie in Südamerika. In Brasilien befindet sich das größte Werk für holzgefertigte Stifte des fränkischen Unternehmens. Ausstoß: zwei Milliarden Stifte pro Jahr. Viel Holz! Und Holz wächst nur dann so schnell, wie man Bleistifte verkauft, wenn man genügend Bäume pflanzt.

So wachsen Bleistifte schnell nach

Der 2016 verstorbene, charismatische Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell bewies häufig unternehmerischen Weitblick. Besonders tat er es, als er in den 1980er-Jahren 10.000 Hektar Land
in Brasilien kaufte, um dort jährlich rund 300.000 Setzlinge zu pflanzen. Es klingt kurios, doch die Rechnung stimmt: Durch die systematische und permanente Aufforstung einer Fläche von 14.300 Fußballfeldern wachsen 1,2 Kubikmeter Holz der karibischen Kiefer in zwei Minuten. Daneben bezieht Faber-Castell auch Holz aus weiteren eigenen Wäldern in Ungarn, Deutschland und Indonesien sowie hochwertiges Zedernholz aus den USA. Alles FSC- und PEFC-zertifiziert.

„Nachhaltigkeit“ wurde bei Faber-Castell schon gelebt, lange bevor man das Wort wirklich kannte. „Vielleicht war es falsche Bescheidenheit, dieses Umweltbewusstsein nicht an die große Marketing- und PR-Glocke zu hängen“, sagt der CEO des Unternehmens, Stefan Leitz. Er will das ändern: „Tue Gutes und rede darüber“, schließlich sei es heute dem umweltbewussten Verbraucher wichtiger denn je, zu wissen, woher die Produkte stammen, die er kauft.

 

„Zwei Milliarden Stifte pro Jahr. Viel Holz! Und Holz wächst nur dann so schnell, wie man Bleistifte verkauft, wenn man genügend Bäume pflanzt.“

Stefan Leitz, CEO von Faber-Castell

 

Seit fast drei Jahren lenkt der 57-jährige Vorstandsvorsitzende Leitz die Geschicke eines der ältesten Familienunternehmen der Welt. Über 90 Prozent aller Deutschen kennen die Marke Faber-Castell und wahrscheinlich hat jeder schon einmal einen Faber-Castell-Stift in der Hand gehalten. Dieser entstammt dann einem Imperium, das mit mehr als 6.000 Mitarbeitern in 120 Ländern der Erde präsent ist, das in 22 Ländern eigene Firmen unterhält und in 10 Ländern Stifte produziert. Alles gewachsen seit 1761. Alles geschaffen in neun Generationen einer einzigen Familie.

„Das Wort ‚Familienbande‘ hat einen Beigeschmack von Wahrheit“, befand einst der österreichische Schriftsteller Karl Kraus. Nicht-Familienmitglied Stefan Leitz hält sich zurück: „Ich bin neutral und liebe alle Familienmitglieder gleich.“ Er schätzt seinen „klaren Blick von außen“ auf das Bleistiftunternehmen. „Ich bin kein Nachlassverwalter, ich bin ein Vermögensentwickler“, strahlt Leitz. Die neuesten Zahlen geben ihm recht: Mit mehr als 522 Millionen Euro Umsatz hat Faber-Castell im vergangenen Jahr ein Plus von über 15 Prozent erzielt und damit das Vorpandemie-Niveau übertroffen. CEO Leitz scheint zu wissen, dass Tradition nicht das Anbeten der Asche, sondern das Weitergeben des Feuers sein sollte.

Tradition bestand und besteht bei Faber-Castell von jeher aus Innovation und aus dem Blick weit über den fränkischen Tellerrand hinaus. Hatte Schreinermeister Kaspar Faber noch in einer kleinen Werkstatt getüftelt und sich 1761 als „Bleistiftmacher“ selbstständig gemacht, entwickelte sein Sohn die Werkstatt zur angesehenen Manufaktur. Die stärksten Impulse für das Unternehmen gingen jedoch von dessen Enkel Lothar von Faber in der vierten Generation aus: Bevor er 1839 das Unternehmen übernahm, absolvierte er eine mehrjährige Ausbildung in Paris und bekannte: „Nicht in Nürnberg, in kleinen merkantilen Verhältnissen, sondern in der großen Weltstadt Paris verschaffte ich mir einen Einblick in die ganze merkantile Welt.“

1861, das Unternehmen war 100 Jahre alt, kennzeichnet Lothar die Bleistifte mit dem Firmennamen und schafft das erste Markenschreibgerät. Qualität geht Lothar von Faber über alles: Graphit aus Sibirien, Zedernholz aus Florida, kein Transportweg ist ihm für die Herstellung der besten Bleistifte zu weit. Er gründet Niederlassungen in Paris und London und erobert den Weltmarkt. Das Unternehmen eröffnet 1849 eine Niederlassung in NewYork, eine „pencil factory“ in Brooklyn, und lässt den Namen „A.W.Faber“ ins amerikanische Handelsregister eintragen. Dort ist diese Marke heute die älteste der USA.

Künstler lieben Faber-Castell

Eine globale Bleistiftmarke war Ende des 19. Jahrhunderts geschaffen. Und wer immer auch beim Schreiben oder Zeichnen Qualität suchte, musste zum Bleistift von Faber-Castell greifen: „Ich wollte noch erzählen von einer Sorte von Bleistiften von Faber, die ich gefunden habe … von besserer Qualität als Zimmermannsbleistifte, sie geben ein famoses Schwarz und man arbeitet damit sehr angenehm bei großen Studien“, schwärmte 1883 Vincent van Gogh. Ein anderes „Testimonial“, Reichskanzler Otto von Bismarck, stopfte sich die Pfeife mit Bleistiften, auf die später auch Joseph Beuys schwor und mit denen der Zeichner Carl Barks seiner Donald-Duck-Figur das Leben schenkte.

Zum Geschäftssinn mit Weitblick der Faber-Castells kam stets Heirat mit Klugheit. Und als deutliches Zeichen unternehmerischer Macht bauten die Bleistifthersteller um die Jahrhundertwende sich und ihren Frauen bei Nürnberg sogar ein Schloss. Außen recht monströser Historismus, offenbart sich innen schönster Jugendstil.

Heute wird es gerne besichtigt, ebenso wie die Blei- und Buntstiftfabrikation von Faber-Castell selbst. In der „Bleistiftstraße“ kann die Fertigung vom blanken Holzbrettchen bis hin zur Endkontrolle des gespitzten Stiftes verfolgt werden. Man erlebt, wie Minen verschiedener Härte und Farbe in eingefräste Rillen halbierter Holzplättchen eingeschossen werden, wie die noch runden Rohstifte hexagonal gefräst, mit umweltfreundlicher Farbe lackiert, dann bestempelt und schließlich angespitzt werden. Hier in der Blei- und Buntstiftfertigung zeigt sich das Unternehmen sehr transparent. Einzig die ebenfalls in schwerem Historismus 1886 von Wilhelm von Faber in der fünften Generation errichtete Villa neben dem Schloss ist unzugänglich wie Fort Knox.

Diese Villa ist der Sitz von Faber-Castell Cosmetics, hier werden seit 1978 Kajalstifte, Eye- und Lipliner entwickelt. Graf Anton, jene achte Generation, hatte das Portfolio des Unternehmens nicht nur klug um edles, oft limitiertes Schreibgerät, um lederbezogene Federschalen und teure Füllfederhalter erweitert, sondern auch um Produkte „dekorativer Kosmetik“. Heute beträgt ihr Anteil am Gesamtgeschäft um die 13 Prozent – und kaum eine Frau weiß, dass von Chanel bis zu Hausmarken großer Drogerieketten Kajalstifte meist von Faber-Castell stammen.

Pad or Pen? Sowohl als auch!

Da Millennials und Digital Natives das händische Schreiben mit Stift und Papier womöglich verlernen, drängt sich 2022 die Frage zum Schicksal des Bleistifts auf. CEO Stefan Leitz begegnet ihr mutig und positiv gestimmt: „Es gibt sowohl Wochenmärkte als auch Homeshopping“ – und es werde in Zukunft „sowohl Pad als auch Pen“ geben.

„Creating a colorful future“ steht heute bei Faber-Castell in der Agenda. Digitalisierung sieht man nicht als Bedrohung, sondern als Chance. Der Erwachsenen-Malbuch-Boom der vergangenen Jahre beflügelte die Nachfrage nach Buntstiften. Kreative, analoge Hobbys wie Ausmalen, Kalligrafie, Handlettering und „Bullet-Journaling“ gelten inzwischen als Entspannungstechniken und Ausgleich zur allgegenwärtigen Bildschirm- und Displayarbeit.

Um die Kreativität des Malens und Schreibens als „Lebensbegleiter“ bereits im frühen Kindesalter zu fördern, stiftet das Unternehmen Schreibgerät als Lehrmittel für Schulen in Fernost und Indien. Es fördert pädagogisches Engagement, etabliert Kreativwettbewerbe und unterhält in Malaysia sogar School-Shops. Hinter sich gelassen hat Faber-Castell monatelange Lockdowns und Schulschließungen – diese hatten weltweit das immens wichtige Geschäft mit Kindern, Schülern, Lehrern und Eltern erheblich beeinträchtigt. „Unsere Auftragsbücher sind wieder gut gefüllt“, strahlt CEO Stefan Leitz.

Dieser Artikel ist zuerst in Character erschienen, dem Gesellschaftsmagazin der Bethmann Bank. Auf unserer Webseite finden Sie mehr Informationen zur aktuellen Ausgabe.

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