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Innovative Züge - alte Schienen, neue Technik

Text von Christina Keppel
04.02.2025
Unternehmen

Der Verkehrssektor verfehlt alljährlich seine Klimaziele, die CO₂-Emissionen sinken kaum. Eine neue Entwicklung aus Italien könnte das ändern: Leise und energieeffiziente Züge sollen bestehende Schienen nutzen und die Verkehrswende unterstützen.

In Deutschland ist der Verkehr für mehr als ein Fünftel der deutschen CO2-Emissionen verantwortlich. Gegenüber 2023 sanken die Emissionen lediglich um knapp ein Prozent und lagen im Jahr 2024 bei 144 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Das ist eindeutig zu viel – laut Klimaschutzgesetz hätte der Verkehrssektor im vergangenen Jahr nur 125 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen dürfen. 

So kann es nicht weitergehen, wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will. Deshalb gilt: Es zählt jede praxistaugliche Idee, um die Verkehrswende voranzubringen. Abhilfe schaffen kann hier möglicherweise die Erfindung der norditalienischen Firma Ironbox: Dank ihrer patentierten Magnetschwebetechnik Ironlev sollen sich Personenzüge künftig energieeffizient und nahezu geräuschlos über Europas Schienennetze bewegen.

Der schwebende Magnet

Rückblick, März 2024: Nahezu lautlos und ruckelfrei gleitet eine silberne Kiste auf einer Bahnstrecke entlang. Eine Kameradrohne dokumentiert die Fahrt über die zwei Kilometer lange Teststrecke zwischen den Städten Adria und Mestre in der Nähe von Venedig. Der Metallkasten wiegt ungefähr eine Tonne und erreicht eine Geschwindigkeit von 70 Kilometer pro Stunde. Auf ihm prangt der Schriftzug Ironlev. „Lev“ steht für das englische „levitation“, also Schweben. Ironlev soll ein zentrales Problem gängiger Magnetschwebebahnen lösen: Diese benötigen bislang eigene Schienen und Bahnhöfe.

In einem seiner nächsten Entwicklungsschritte will Ironbox einen Eisenbahnwagen mit einem Gewicht von 20 Tonnen auf die Schiene bringen und auf 200 Kilometer pro Stunde beschleunigen. 

Ironbox hingegen verspricht, dass Züge mit Ironlev-Technik kompatibel sind mit bestehenden Schienensystemen. Die Entwicklung funktioniert so: Ein Starkmagnet, der wie ein U geformt ist, läuft auf der Eisenbahnschiene entlang. Der Starkmagnet und die Stahlschiene ziehen sich an – klar, magnetisch. Das magnetische U umfasst die Stahlschiene und passt zwischen die beiden inneren Seiten der Form. Allerdings berühren die Innenseiten des U den Stahl nicht. So entsteht ein Magnetfeld. Das wiederum erzeugt ausreichend Kraft, um das U anzuheben – und alles, was darauf montiert ist, zum Beispiel einen Waggon. Ferromagnetisches Schweben heißt das zugrundeliegende Prinzip. In einem seiner nächsten Entwicklungsschritte will Ironbox einen Eisenbahnwagen mit einem Gewicht von 20 Tonnen auf die Schiene bringen und auf 200 Kilometer pro Stunde beschleunigen. 

Drei Vorteile: Weniger Energie, weniger Abnutzung und weniger Lärm

Kommt das Patent auf den bestehenden Straßenbahn-, Regional-, und Fernverkehrsschienen zum Einsatz, hätte das gleich mehrere Vorteile. Erstens wäre der Betrieb energieeffizienter als bei bisherigen Rad-Schienen-Systemen. Durch das Schwebeprinzip entfällt der Materialwiderstand, sodass der Zug mit weniger Energieaufwand fährt. 

Zweitens: „Weil Stahl und Magnet-U sich nicht berühren entsteht im Vergleich zu klassischen Radsystemen nur noch ein Bruchteil der sonst vorhandenen Reibung“, sagt Adriano Girotto, Gründer von Ironbox. In der Folge sinken die Instandhaltungskosten für die Infrastruktur. „Sie könnten um bis zu 30 Prozent geringer ausfallen“, schätzt Girotto. 

Der dritte Vorteil zielt auf die Geräuschkulisse ab: Da der Materialkontakt wegfällt, verursacht ein Ironlev-Zug wesentlich weniger Lärm. „Laut quietschende Zugbremsen oder rumpelnde Straßenbahnen würden der Vergangenheit angehören“, sagt Girotto. Nur noch der Luftzug der vorbeifahrenden Bahn wäre zu spüren. Diese Eigenschaft macht die Ironlev-Technik vor allem für den Einsatz in zentralen, innerstädtischen Lagen interessant. Außerdem würden ganze Wohngebiete in unmittelbarer Nähe zu Schienen aufgewertet, etwa entlang von Regional- und Fernverkehrstrassen. 

Transrapid – ein deutscher Vorläufer

Magnetschwebebahnen sind keine neue Erfindung. So gibt es beispielsweise seit den 1980er-Jahren den in Deutschland entwickelten Transrapid. Doch bei diesem Hochgeschwindigkeitszug funktioniert die Magnetschwebetechnologie im Gegensatz zur Ironlev-Technik mit elektromagnetischen Spulen. Da sie auch im Schienenweg selbst verbaut ist, benötigt der Transrapid eine eigene Infrastruktur. „Entsprechend teuer und aufwendig ist der Bau der Bahntrasse“, sagt Markus Bauer, Geschäftsführer der ThyssenKrupp Transrapid GmbH. So hätte die einst zwischen dem Münchner Hauptbahnhof und dem Münchner Flughafen geplante knapp 37 Kilometer lange Strecke laut Tagesspiegel bis zu 3,4 Milliarden Euro gekostet. 

Ironlev stellte das System 2025 auf der Fachmesse Bau in München vor – als Mechanik, mit der sich Schiebefenster und -türen mit einem Gewicht von bis zu 1.500 Kilogramm mühelos öffnen lassen.

Heute fährt der Transrapid lediglich in Shanghai. Dort verbindet er auf einer Strecke von knapp 30 Kilometern Länge die Stadt mit dem internationalen Flughafen Shanghai Pudong. Nach Berichten des Manager Magazins und der Deutschen Welle lagen die Kosten für den Bau der Strecke im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich – pro Kilometer. 

In der Ironlev-Entwicklung sieht Bauer eine Chance, die teure Infrastruktur-Hürde zu überwinden. Allerdings: „Die Entwicklung eines solchen Systems für den Personentransport ist eine herausfordernde Ingenieursleistung“, sagt er. Tatsächlich feilt Ironlev-Erfinder Adriano Girotto bereits seit 2016 an seiner Idee, Züge schweben zu lassen. Noch kann die silberne Kiste aber beispielsweise nicht ganz auf Kontakt mit der Schiene verzichten: Für den Antrieb und für die Stabilität, etwa in leichten Schräglagen oder Kurven, braucht der Testwagen Stützräder. Dennoch sind die Ingenieure zuversichtlich, dass Ironlev künftig im Personenzugverkehr zum Einsatz kommt – marktreif ist das Patent im Bereich Verkehr aber noch längst nicht. 

Nachhaltige (Zwischen-)Lösungen für Immobilien

Bis dahin setzen Adriano Girotto und seine Kollegen die Schwebetechnik anderweitig ein. Das italienische Unternehmen stellte das System im Januar 2025 auf der Fachmesse Bau in München vor – als Mechanik, mit der sich Schiebefenster und -türen mit einem Gewicht von bis zu 1.500 Kilogramm mühelos öffnen lassen. Oder, vertikal eingesetzt, für geräuschlos fahrende und energieeffiziente Aufzüge. Damit käme die nachhaltige Innovation nun erst einmal dem Gebäudesektor zugute – der hat im Jahr 2023 in Deutschland immerhin 15 Prozent der jährlichen Emissionen verursacht. 

16,2 Milliarden Euro 
will der Bund im Jahr 2025 in Schienennetz und Bahnhöfe investieren.
Quelle: Deutsche Bahn

80 Dezibel 
Schallpegel erzeugt ein ICE bei 250 km/h in 25 Meter Entfernung. Das entspricht in etwa dem Lärmpegel eines Schleifgerätes im Betrieb und nähert sich dem Bereich, in dem Dauerlärm zu Gehörschäden führen kann. 
Quelle: Flughafen Berlin Brandenburg

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