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Matratzen – recyceln statt verbrennen

Text von Nadja Christ
12.07.2024
Nachhaltigkeit

Was mit PET-Flaschen funktioniert, geht auch mit Matratzen: sammeln und wiederverwerten. Diverse Unternehmen und Projekte arbeiten daran, den Wertstoffkreislauf der Bettpolster zu schließen.

Mehr als acht Millionen Matratzen werden jährlich in Deutschland entsorgt. Nahezu alle werden zerkleinert und landen in der Müllverbrennung, fand der Naturschutzbund Deutschland e. V. heraus. Lediglich fünf Prozent gelangen in den Besitz spezialisierter Recycling-Unternehmen, die zum Teil in Handarbeit die alten Bettpolster in ihre Einzelteile zerlegen und diese zur Wiederverwertung weiterverkaufen. Wie künftig mehr alte Matratzen im Kreislauf bleiben können, zeigen die folgenden Ideen.

Weg von der Straße, rein in den Container

Ein typischer Sperrmülltag. Wer durch die Straßen läuft, sieht neben Möbeln auch die ein oder andere Matratze am Straßenrand. Nass und verdreckt erwartet sie normalerweise nur noch ein Schicksal: die Verbrennungsanlage. Doch in Wuppertal ist alles anders. Seit November 2022 können Verbraucher ihre Matratzen zum Recyclinghof Widukindstraße fahren. Dort nehmen Mitarbeitende der Abfallwirtschaftsgesellschaft (AWG) Wuppertal die unhandlichen Stücke entgegen und sammeln sie in einem 850-Kilogramm-Container. „Schon nach einem Monat war der erste Container voll“, erinnert sich Claudia Wieland vom Fachverband Matratzenindustrie e. V.. Sie erklärt: „Die Matratzen trocken und getrennt von anderem Sperrmüll zu sammeln, ist ein wichtiger erster Schritt zur Wiederverwertung.“ 

Zusammen mit anderen Akteuren der Wertschöpfungskette erarbeiten der Matratzenverband und die AWG Wuppertal Lösungen, um Matratzen künftig häufiger dem Wertstoffkreislauf zuzuführen. In dem Pilotprojekt wurden bislang drei Tonnen der gesammelten Matratzen vom Spezialunternehmen D & E Entsorgung aus Wesel zerlegt und nach Materialien sortiert. Wertstoffabnehmer kaufen diese und verarbeiten sie weiter. So können zum Beispiel Matratzenfedern zu Stahl eingeschmolzen werden. Polyurethanschaum wiederum landet als verklebte Flocken auf der Unterseite von Teppichen. Etwa 130.000 Bettpolster pro Jahr recycelt D & E auf diese Art und Weise.

Der Matratzenverband hat sich mit zwei weiteren Industrieverbänden in Wuppertal zum Kompetenz-Zentrum Textil + Sonnenschutz zusammengeschlossen. Gemeinsam verfolgen sie ein großes politisches Ziel: „Wir fordern die Einführung einer verbindlichen Extended Producer Responsibility, also eine erweiterte Herstellerverantwortung für Matratzen”, erklärt Wieland. Ein solches EPR-System verpflichtet Produzenten dazu, neben der Herstellung auch die finanzielle und organisatorische Verantwortung für das Sammeln und die Verwertung ihrer Produkte zu übernehmen. Gleichzeitig schafft es aber auch die nötige Planungs- und Investitionssicherheit für die beteiligten Akteure. 

Es machen sich noch zu wenige Hersteller und Unternehmen Gedanken darum, was mit ihren Produkten nach Ende ihrer Lebensdauer passieren soll.
Verena Judmayer, Mitgründerinnen Matr by Circularful GmbH

Die Niederlande als Vorreiter

Ein gesetzliches EPR-System für Textilien haben die Niederlande bereits 2023 als zweites europäisches Land nach Frankreich eingeführt. Perfekte Voraussetzungen für Retourmatras Products B. V.. Wie bei ReNewTex-Entsorgungspartner D & E sägen auch hier die Mitarbeitenden die Bettpolster auf, separieren die verschiedenen Stoffe und pressen sie zu Ballen. Kooperationspartner stellen daraus anschließend neue Textilien her. Der Schaumstoff wiederum landet bei Herstellern, die damit Dämmmaterial oder Unterlagen für Sportböden, Rasenmatten und Spielplätze produzieren. Immerhin rund 80 Prozent einer Matratze überführt Retourmatras so in den Kreislauf. Zum Vergleich: D & E weist eine Wiederverwertungsquote von 90 Prozent auf – eine Zahl, die die Niederländer künftig sogar übertreffen möchten.
Im Jahr 2019 gelang Retourmatras ein großer Coup: Die Ingka Group, die größte Ikea-Holdinggesellschaft, wurde Anteilseigner des Start-ups. Seitdem können Ikea-Kunden in den Niederlanden, Belgien und Großbritannien einen Rückgabeservice nutzen, dank dem Matratzen und andere Textilprodukte wieder in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden. 

Beim Designen das Ende der Matratze mitdenken

Einen Schritt weiter geht das Unternehmen Matr by Circularful GmbH aus Österreich. Seit Anfang 2023 verkauft das Start-up Matratzen, die auf einem modularen Design basieren. So ist sichergestellt, dass die einzelnen Komponenten am Ende des Lebenszyklus leicht wieder voneinander getrennt werden können. „80 Prozent der Umweltauswirkungen eines Produkts werden in der ersten Phase der Entwicklung festgelegt“, sagt Verena Judmayer, eine der beiden Gründerinnen. Ihre Beobachtung: „Es machen sich noch zu wenige Hersteller und Unternehmen Gedanken darum, was mit ihren Produkten nach Ende ihrer Lebensdauer passieren soll.“ Daneben verfolgt das Start-up dasselbe Ziel wie das Netzwerk ReNewTex aus Deutschland. „Wir sind Mit-Initiatoren der österreichischen Matratzenallianz, die sich für die Einführung eines EPR-Systems für Matratzen in Österreich einsetzt“, erklärt Judmayer. 

Aktuell verkauft Matr seine Ware primär an ausgewählte Hotels. So kann das Start-up Team die Matratzen am Lebensende gezielt einsammeln und direkt zu einem Recycling-Partner bringen. Ein spezialisiertes Unternehmen zerlegt die Matratze in ihre Komponenten und recycelt die einzelnen Materialien. „Elf Hotels in Österreich zählen bereits zu unseren Kunden und seit kurzem sind wir auch in Deutschland vertreten“, sagt Judmayer. 

10 - 14 Jahre
wird eine Matratze durchschnittlich alt, bevor sie entsorgt wird. 
Quelle: Naturschutzbund e. V., 2023

165.400 Tonnen
wiegen die jährlich in Deutschland entsorgten Matratzen. Das sind ungefähr zwei Drittel der jährlichen Kapazität der Offenbacher Müllverbrennungsanlage. 
Quellen: Naturschutzbund e. V. und Energieversorgung Offenbach AG

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