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Otto Aviation - Flug in die Zukunft?

Text von Mia Pankoke
14.04.2022
Unternehmen

William Otto Senior hat mit der Celera 500L ein besonders effizientes Flugzeug entwickelt, das weniger verbraucht als ein Geländewagen. Doch die aerodynamische Form ruft auch Kritiker auf den Plan.

Ein Flugzeug, das weniger verbraucht als ein Geländewagen? William Otto Senior, Erfinder der Celera 500L, dachte, er hätte sich vertan, als er Leistung und Verbrauch seines neuen Privatfliegers zum ersten Mal berechnete. Die Werte klangen zu schön, um wahr zu sein. „Ich habe ein Konzept für ein neues Geschäftsflugzeug und möchte, dass du mir sagst, ob ich irgendwo eine Nachkommastelle übersehe“, bat der Gründer des US-Luftfahrtunternehmens Otto Aviation einen befreundeten Aerodynamiker um Hilfe. Doch Otto Senior hatte sich nicht vertan. Ganz im Gegenteil: Die Berechnungen des Physikers und Mathematikers waren korrekt - und die Celera 500L geboren.

So erzählt Ottos ältester Sohn, William (Bill) Junior, in einem Interview mit dem US-Fachblatt „Airways Magazin“ die Entstehungsgeschichte eines Kleinflugzeugs, das beim Verbrauch alle anderen Modelle um Längen schlägt. Dabei war für seinen Vater die Konstruktion eines kompletten Fliegers absolutes Neuland. Als leitender Wissenschaftler forschte Otto Senior unter anderem bei einem bedeutenden US-amerikanischen Flugzeughersteller zu Langstreckenbombern für die US-Luftwaffe. Er entwickelte auch Navigationssysteme sowie eine Atomrakete für die US-Armee oder versuchte, möglichst viele aerodynamische Torpedos in U-Booten unterzubringen.

Auf die Idee, einen eigenen Flieger zu konstruieren, kam Otto Senior in einer Phase, als er selbst geschäftlich viel unterwegs war. Als Geschäftsführer der 1975 gegründeten Unfallrekonstruktionsfirma Otto Laboratories flog er zu Unfallorten auf der ganzen Welt. „Mein Vater reiste so viel, dass er den Kauf eines eigenen Geschäftsjets in Erwägung zog“, erzählte Bill Junior im Interview. Doch der enorme Treibstoffverbrauch schreckte den Senior vom Kauf ab – und stachelte seinen Entwicklerehrgeiz an.

Das Geheimnis ist die laminare Strömung

Mittlerweile haben unzählige Stunden im Flugsimulator und seit 2018 mehr als 55 Testflüge längst bestätigt, was Otto Senior anfangs zu schön erschien, um wahr zu sein. Laut Otto Aviation verbraucht der Flieger 9,4 Liter Kerosin auf 100 Kilometern. Das ist weniger als ein großer Geländewagen an Diesel oder Benzin benötigt. In einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN rechnete Otto Senior vor: „Unser Flugzeug ist achtmal effizienter als vergleichbare jetbetriebene Flugzeuge.“ Dadurch sind die Emissionen dem Physiker zufolge pro Sitz um 80 Prozent geringer als bei herkömmlichen Privatflugzeugen und immer noch um 40 Prozent geringer als bei den sparsamsten Verkehrsfliegern.

Das Geheimnis dieser Effizienz liegt in der Kombination aus Material und Form. Dass die Celera aussieht wie ein Ei, hat nämlich ganz pragmatische Gründe: Die ungewöhnliche Kontur ermöglicht es dem Flugzeug, durch die Luft zu gleiten und sie dabei so wenig wie möglich zu verwirbeln – laminare Strömung nennen Aerodynamikexperten dieses Phänomen, das den Verbrauch minimiert. Dazu kommt ein spezieller Materialmix. „Um die laminare Strömung aufrechtzuerhalten, muss man Oberflächen schaffen, die sich nicht biegen, krümmen oder verzerren", erklärte Otto Senior im TV-Interview und ergänzte: „Mit Metall allein ist das nicht möglich, sondern nur mit Verbundwerkstoffen.“ Otto Aviation zufolge senkt diese Mischung aus Form und Material den Luftwiderstand im Vergleich zu Flugzeugen ähnlicher Größe um 59 Prozent.

Zukunft ungewiss

Doch wer nun hofft, bald ganz ohne schlechtes Umwelt-Gewissen in ein Flugzeug steigen zu können, sollte sich die Celera etwas genauer anschauen: Die laminare Strömung ist hoch komplex und selbst kleine Unregelmäßigkeiten können sie beeinträchtigen. Otto selbst musste einräumen, dass Eis oder sogar Insekten, deren Überreste auf dem Rumpf kleben, die Aerodynamik beeinflussen und den Verbrauch in die Höhe treiben. Zudem weisen Kritiker auf mögliche Sicherheitslücken hin. Die Eiform, die die Celera so effizient macht, kann nämlich das Flugverhalten negativ beeinflussen. Der Grund: Da die Tragflächen sehr schmal sind, können sie im langsamen Flug einen Strömungsabriss möglicherweise nur schlecht oder sogar gar nicht auffangen. Kritisch sehen einige Experten auch, dass die Celera nur über einen Antrieb verfügt: Die Maschine könnte also nicht, wie andere zweistrahlige Flieger, bei Ausfall eines Triebwerks mit dem Verbliebenen sicher landen.

Trotz aller Kritik hält Otto Aviation an seinem Supersparflieger fest. Erfinder William Otto Senior ist inzwischen Ende Siebzig, sein Sohn lenkt jetzt die Geschicke des Familienunternehmens – und hat große Pläne: Otto Junior kann sich die Celera auch als Flugtaxi, als kleinen Frachttransporter, als Drohne oder als Militärflugzeug vorstellen. Und eine um bis zu 20 Prozent größere 1000L-Version könnte künftig herkömmliche Passagierflugzeuge ersetzen. Geht es nach Familie Otto, würde die Celera 500L ab dem Jahr 2025 durch die Luft fliegen. Mehr als 8.000 Kilometer bei einer Reisegeschwindigkeit von bis zu 740 Kilometern pro Stunde soll der Flieger dann schaffen. Jetzt muss nur noch die US-Bundesluftfahrtbehörde FAA der Musterzulassung zustimmen.

26,21 Prozent
Anteil der USA an den weltweiten CO2-Emissionen des Luftverkehrs.
Quelle: www.bdl.aero

3,55 Liter
Durchschnittlicher Verbrauch der deutschen Flugzeuggesellschaften pro Passagier auf 100 Kilometern.
Quelle: www.bdl.aero

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